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Hilflose Trauer. Ebola löscht ganze Familien aus.
© AFP

Ebola in Westafrika: Die Welt hat die Katastrophe zu lange ignoriert

Ebola lässt sich nicht durch Versprechen beeindrucken, es zählen nur Taten. Wenn das Virus nicht mit Macht bekämpft wird, besteht die Gefahr, dass die Seuche ganze Landstriche in Afrika zum Katastrophengebiet macht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jana Schlütter

Endlich! Endlich wachen die Industrienationen auf und nehmen die Katastrophe in Westafrika nicht nur gelangweilt zur Kenntnis, sondern ziehen Konsequenzen. Die USA haben Ebola den Krieg erklärt. „Wenn dieser Ausbruch nicht jetzt gestoppt wird, könnten sich Hunderttausende anstecken, mit schwerwiegenden politischen und wirtschaftlichen Folgen für uns alle“, sagte US-Präsident Barack Obama. „Wir müssen die tödliche Bedrohung durch Ebola so ernst nehmen wie Isis“, sagte Senator Lamar Alexander bei einer Expertenanhörung des Senats. Die Flammen dieses Flächenbrandes kämen „direkt aus der Hölle“, berichtete der Ebola-Überlebende Kent Brantly unter Tränen.

Gegen dieses Inferno hatten Hilfsorganisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ bisher nur Sprühflaschen in der Hand. So geriet nicht nur das tödliche Virus außer Kontrolle, sondern auch die Angst davor. Die Gesellschaften brechen auseinander. Die Szenen, die sich derzeit vor allem in Liberia und Sierra Leone abspielen, sind apokalyptisch. Es besteht die Gefahr, dass der Funke von dort aus auf andere bitterarme Staaten überspringt und die Seuche ganze Landstriche in Afrika zum Katastrophengebiet macht. So etwas gab es nicht mehr, seit die Pest im Mittelalter durch Europa fegte.

Eine Milliarde Dollar wird die Eindämmung dieser beispiellosen Epidemie kosten, schätzen die Vereinten Nationen. Deutschland hatte sich daran nur zögernd beteiligt, mit kläglichen Kleckerbeträgen. Erst nach dem Brandbrief von Liberias Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf an Angela Merkel bewegt sich etwas.

Es geht nicht darum, Quarantänezonen militärisch zu sichern

Die Bundesregierung tut gut daran, Obamas Beispiel zu folgen. Wer angesichts von bis zu 3000 amerikanischen Soldaten in Westafrika martialische Szenen aus dem Hollywoodthriller „Outbreak“ vor sich sieht, irrt. Es geht nicht darum, Grenzen abzuriegeln und Quarantänezonen militärisch zu sichern. Beides bringt nichts und verschärft nur die Not. Die Amerikaner schicken Logistiker, die im Senegal eine Luftbrücke etablieren. Ingenieure, die Behandlungszentren in Liberia aufbauen. Seuchenexperten, die bis zu 500 Krankenpfleger pro Woche ausbilden können. Die militärische Kommando- und Kontrollstruktur ist ein Garant dafür, dass Schutzanzüge, Leichensäcke, Desinfektionsmittel, Wasseraufbereiter, Medikamente, Plastikplanen für die Zelte und alles andere Material dort landen, wo sie gebraucht werden. Es ist ein durch und durch humanitärer Einsatz, der den Helfern vor Ort dringend benötigte Infrastruktur bringt. Dazu gehört ein hochmodernes Militärkrankenhaus mit 25 Betten – als Backup, falls sich weiterhin internationale Helfer anstecken.

Eine solche Mammutaufgabe kann selbst eine Weltmacht wie die USA keinesfalls allein stemmen. Nicht nur Liberia, sondern auch Sierra Leone steht am Abgrund. In Guinea steigen die Fallzahlen zwar nicht exponentiell, trotzdem braucht es Unterstützung. Gleichzeitig hat jedes Land nur eine begrenzte Anzahl von Fachleuten, die sich mit hochansteckenden Krankheiten auskennen und in einem solchen Umfeld sicher agieren können. China zum Beispiel hat 154 Experten geschickt, Kuba entsendet 165 Ärzte und Schwestern. Deutschland hat von Anfang an die europäischen mobilen Labore koordiniert, einige Virologen aus Hamburg, Berlin und Marburg sind dort bereits zum zweiten Mal freiwillig im Einsatz. Die Bilder lassen sie nicht los. Ihre Forschung ruht derweil.

Das Höllenfeuer muss schnell gelöscht werden

Die Ebola-Krise offenbart die Lücken in der Entwicklungshilfe. Das Virus konnte sich nur deshalb derart verbreiten, weil es auf ein extrem schwaches Gesundheitswesen traf. Unzureichend ausgestattete Krankenhäuser werden zu Seuchenherden. Ohne gut ausgebildete „Eingreiftruppen“ für die Seuchenkontrolle weiß niemand, was im Ernstfall zu tun ist. Das von Ebola oft heimgesuchte Uganda zeigt, dass es mit entsprechender Infrastruktur anders geht. Bei den letzten Ausbrüchen dort konnte man die Zahl der Infizierten an einer Hand abzählen.

Doch für solche Lehren ist später Zeit. Jetzt muss das Höllenfeuer schnell gelöscht werden, es darf nicht bei Versprechen bleiben. Sonst bleibt von ganzen Nationen nur Asche.

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