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Bodo Ramelow will am Freitag in Thüringen Ministerpräsident werden.
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Thüringen: Die Ramelow-Wahl und das Demokratieverständnis der CDU

Nun will die Thüringer CDU doch noch einen Kandidaten für die Wahl des Ministerpräsidenten aufstellen. Eine gute Idee - denn allein mit Nein-Stimmen gegen den Linken-Politiker ist kein Staat zu machen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Stimmen wir ab: Wer ist dafür, wer dagegen? Wenn es nur so einfach wäre. In Großdemokratien ist die Erarbeitung des Mehrheitswillens eine Titanenaufgabe, die Lektüre einschlägiger Wahlrechtsurteile des Verfassungsgerichts ein Exerzitium für Mathe-Könner. Das Ringen um die richtigen Lösungen für die so wichtigen wie undurchsichtigen Probleme hat dabei meist politische Motive. Wer das Verfahren bestimmt, bestimmt mit, wer Sieger wird. Es geht nicht um Demokratie, es geht um Macht.

Auch in Thüringen. Dort will die CDU nun mit einem Gegenkandidaten verhindern, dass der linke Bodow Ramelow zum Ministerpräsidenten gewählt wird. Eine gute Idee. Denn mit Blick auf die anstehende Kür des Ministerpräsidenten war ein Verfassungsstreit entbrannt, ob und wie der linke Kandidat Bodo Ramelow zu wählen wäre, falls für die CDU niemand antritt. Meinung eins: Gibt es nach zwei Wahlgängen noch keine Entscheidung, reicht theoretisch eine einzige Ja-Stimme für Ramelow. Meinung zwei: Alles Unsinn. Gibt es mehr Nein- als Ja-Stimmen, ist Ramelow als einziger Kandidat auch im dritten Durchgang nicht gewählt. Die Parteien schlugen sich Gutachten um die Ohren. Notfalls, hieß es, müsse der Weimarer Verfassungsgerichtshof das klarstellen.

Gemach. Klarzustellen wäre, was Wahlen in Demokratien überhaupt sollen: Die Bildung einer legitimierten Regierung ermöglichen. Das will auch Artikel 70 Absatz drei der Thüringer Verfassung, der nach zwei unklaren Wahldurchgängen mit qualifiziertem Mehrheitserfordernis denjenigen siegen lässt, der „in einem weiteren Wahlgang die meisten Stimmen erhält“. Am Ende des Tages soll es einen Ministerpräsidenten geben, deshalb werden die Hürden gesenkt. Logisch ist es aus CDU-Sicht misslich, wenn der Ramelow heißt. Aber seit wann sollen es Neinstimmen sein, die in solchen Fragen rechtlich zählen? Den Gegnern von Rot-Rot-Grün war es von Anfang an unbenommen, selbst einen Kandidaten aufzustellen. Darauf zu verzichten, um im dritten Wahlgang den ungewollten Kandidaten der Gegenseite durchrauschen zu lassen – was war das für ein Verständnis praktizierter Demokratie? Laut Verfassung müssten dann Christine Lieberknecht und ihr Personal weiterregieren, obwohl sie vom neuen Landtag nicht mehr legitimiert sind.

Manche mag es überraschen, aber Demokratie lebt nicht vom Widerspruch, sondern vom Jasagen. Ja zu etwas aus dem vorhandenen Angebot. Die Jasager sind es, die auf diese Weise Wahlen entscheiden. Neinsagen hilft nicht. Neinsager müssen eine Alternative anbieten, zu der man ja sagen kann, sonst hört man sie nicht. Insofern war es etwas peinlich, dass die Thüringer CDU zunächst das Neinsagen zur Tugend erklärt hatte. Neinsager und Verweigerer, die saßen doch doch sonst immer im linken Lager.

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