Transatlantisches Verhältnis: Die Krise als Kitt
Angela Merkel und Barack Obama konzentrieren sich beim Besuch der Kanzlerin ganz auf die Ukraine. Das funktioniert. Aber was passiert, wenn es um weniger als um ein akutes Krisenmanagement zur Zukunft Europas geht? Dazu waren nur kraftlose Floskeln zu hören.
Man möchte sich nicht vorstellen, wie Gerhard Schröder und George W. Bush im Rosengarten gestanden hätten. Der amerikanische Präsident fühlte sich vom deutschen Bundeskanzler hintergangen, weil Schröder sich anders, als intern signalisiert worden war, gegen den Irak-Feldzug wandte. Schröder hingegen sah in Bush einen kriegslüsternen Cowboy. Das Verhältnis der beiden Staatschefs war nach dem Krieg gegen Bagdad derart schlecht, dass gemeinsame Verantwortung im transatlantischen Verhältnis kaum mehr vorkam.
Barack Obama und Angela Merkel sind anders als ihre beiden Vorgänger, sie sind pragmagtischer, rationaler, für sie zählt nicht die persönliche Beziehung, sondern das politische Ziel. Am Freitagmittag präsidierten sie in Washington vor den weißen, den gelben und den rosafarbenen Rosen im Südhof des Weißen Hauses. Dort schulterten sie in der routinierten Professionalität, die ihnen eigen ist, die Last der gemeinsamen Veranwortung – gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und für die, angesichts der dramatischen Entwicklungen in Odessa und am Ostrand des Landes inzwischen immer schwieriger werdende Stabilisierung der Ukraine.
Die Beziehung der beiden Politiker, die ohnehin nicht zu den emotionsstärksten auf der politischen Weltbühne zählen, hat sich mit fortschreitender Desillusionierung im Zuge der Enthüllungen über das weltumspannende Überwachungsnetz der National Security Agency (NSA) spürbar abgekühlt. Doch die Temperatur ihrer wechselseitigen Sympathien hat nicht die Qualität der Zusammenarbeit von Barack Obama und Angela Merkel bei einer Krise von globaler Bedeutung wie dem Konflikt um die Ukraine geschmälert.
Die Ergebnisse des Treffens von Washington wären auch ohne Edward Snowden und die NSA-Affäre kaum anders ausgefallen. Merkel und Obama haben einander versprochen, dass sie eine Sabotage der für Ende Mai geplanten Wahlen in der Ukraine durch Russland nicht zu akzeptieren bereit sind; die nächste Runde an Sanktionen, die „dritte Stufe“, ist für diesen Fall bereits vereinbart, und sie würde höchstwahrscheinlich ganze Sektoren der russischen Wirtschaft treffen.
Insbesondere strafende Maßnahmen gegen die russische Finanzbranche und den Militärsektor des Landes bereiten die Experten aus beiden Ländern vor. Die Absprache entspricht der jeweiligen Sicht in Amerika und Deutschland, sie ist ein pragmatisch gefundener Konsens der beiden wichtigsten Akteure auf westlicher Seite in dieser Krise. In der Ukraine war die transatlantische Einigkeit nie gefährdet.
Nicht gefährdet bedeutet freilich nicht unbeschadet. Angesichts der einem Krieg immer näher rückenden Verhältnisse in der Ukraine gibt es zur transatlantischen Brücke weder für den amerikanischen Präsidenten noch für die deutsche Bundeskanzlerin eine Alternative. Merkel wie Obama wissen das.
Aber was passiert, wenn es um weniger als um ein akutes Krisenmanagement zur Zukunft Europas geht? Wenn nicht der europäische Friede, sondern, zum Beispiel, der nächste Weltklimagipfel auf der Agenda steht, oder der nächste militärische Konflikt in Afrika oder in der arabischen Welt? Wie groß sind die Gemeinsamkeiten noch, die der deutsch-amerikanischen Freundschaft in der Vergangenheit stets ihre Kraft verliehen haben? Und ist der Begriff einer Freundschaft noch der richtige, der das Verhältnis zwischen Merkel und Obama beschreibt?
Zu diesen Fragen waren beim gemeinsamen Auftritt der beiden Staatenlenker bei diesem Besuch nicht mehr als ein paar kraftlose Floskeln zu hören. Die Kanzlerin hat es bewusst in Kauf genommen, ihren Besuch nicht mit Versöhnungsgesten zu garnieren, sie hat auf ihre Art eine deutliche Botschaft gesandt. Ob das Vertrauen wieder hergestellt sei, wurde sie während der Pressekonferenz im sonnigen Rosengarten gefragt. Merkel mochte die Frage nicht beantworten, insbesondere nicht mit einem Ja. Sie sprach davon, nicht zur Tagesordnung übergehen zu wollen. Vertrauen ist keine Kategorie, die diesen Besuch prägte. Ohne Vertrauen aber sehen die transatlantischen Beziehungen harten Zeiten entgegen.
Die NSA-Affäre ist ein schleichendes Gift, das die Beziehungen zwischen den Partnern Deutschland und USA nicht zerstört, aber jenseits von Krisen wie in der Ukraine auf eine subtile Art beschädigt. Nur, wenn Barack Obama diese Dimension zu begreifen bereit ist, ist jene Renaissance des transatlantischen Verhältnisses, die sein Außenminister John Kerry schon im Januar bei der Sicherheitskonferenz in München eingefordert hat, denkbar. Bei Merkels Besuch in der amerikanischen Hauptstadt war davon nicht viel zu spüren.