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PORTRÄT STEPHEN COLBERT US-SATIRIKER UND FUNDRAISER:: „Die großen Spender anlocken“

Er geht gerne einen Schritt weiter: Schon als Senior Correspondent in der „Daily Show“ seines Freundes Jon Stewart ragte Stephen Colbert – beziehungsweise die Bühnenfigur, die sich der heute 47-Jährige erdacht hatte – aus der Gruppe der Comedians heraus. Colbert gab bereits dort, zu Beginn des letzten Jahrzehnts, in wachsender Perfektion den neokonservativen Aufsteiger: hart, erbarmungslos, moralisch bigott und ein bisschen schlicht.

Er geht gerne einen Schritt weiter: Schon als Senior Correspondent in der „Daily Show“ seines Freundes Jon Stewart ragte Stephen Colbert – beziehungsweise die Bühnenfigur, die sich der heute 47-Jährige erdacht hatte – aus der Gruppe der Comedians heraus. Colbert gab bereits dort, zu Beginn des letzten Jahrzehnts, in wachsender Perfektion den neokonservativen Aufsteiger: hart, erbarmungslos, moralisch bigott und ein bisschen schlicht. Als Comedy Central ihm 2005 die eigene Sendung „The Colbert Report“ anbot, etablierte er sich als allabendlich erscheinendes Ekel, persiflierte rechtskonservative Scharfmacher wie Bill O’Reilly und Glenn Beck. Bis heute ist Colbert, katholisch erzogener Südstaatler aus South Carolina, in der Rolle des Demokratenhassers und Bush-Fans beängstigend glaubwürdig.

Dass nun ausgerechnet dieser Colbert in großem Stil die Grenze zwischen Satire und Realpolitik attackiert, ist so verstörend wie folgerichtig. Dass es ihm dabei zunächst einmal nur darum geht, „die großen Spender anzulocken“, entspricht dem Zynismus seines TV-Charakters. Mit seinem „Super-PAC“ hat Colbert ein politisches Aktionskomitee (PAC) geschaffen, das im wahrsten Sinne des Wortes Kapital aus US-Gesetzesänderungen der letzten Jahre schlägt. Damit führt er den Amerikanern so schmerz- wie scherzhaft vor Augen, was sich sonst wohl nahezu unbemerkt aus einem Urteil des Obersten Gerichtshofs von 2010 in ihr System geschlichen hätte: die Aufhebung nahezu aller Beschränkungen für derartige Lobbygruppen bezüglich der Höhe der Spenden und Nähe zu einzelnen Kandidaten.

Die eingenommenen Gelder – eine Million Dollar meldete Colbert der Wahlkontrollbehörde – nutzte er dabei vor allem dazu, den republikanischen Vorwahlkampf durch TV-Kampagnen für oder gegen einzelne (teils fiktive) Kandidaten zu verwirren. Dass die satirischen Einlagen zuletzt fast ein wenig untergingen gegenüber den realsatirischen der Kandidaten Mitt Romney und Newt Gingrich, dürfte ihn noch mehr anstacheln. Bereits Anfang Januar gab Colbert, der sich eine Präsidentschaftskandidatur bis dato vorbehält, die Kontrolle über sein Super-PAC ab, da ein solches zwar alles für einen Kandidaten tun, nur nicht unmittelbar mit ihm vernetzt sein darf. Der neue Oberlobbyist des „Colbert Super-PACs“ ist – auch das ist gute Satire – ein alter Bekannter: Colberts ehemaliger Chef Jon Stewart. Johannes Schneider

Johannes Schneider

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