Kristina Schröder: Die Flexi-Ministerin
Kristina Schröder führt ihr Ministerium nicht wie eine politische Institution, sondern wie eine Marketingabteilung. Sie verpasst es, Akzente zu setzen. Dabei liegen in der Familienpolitik einige Themen auf der Hand.
Es soll niemand sagen, die Regierung sei nicht kreativ. Sie hat, das muss man mal erwähnen, in den vergangenen Wochen eine eigene Kunstform geschaffen. Sprachgaleristen handeln sie als das „neo-dadaistische Wortknäuel“. Gestern hat Familienministerin Kristina Schröder ihren Beitrag zur Avantgarde präsentiert. Ihr Werk heißt „gesetzliche Pflicht zur Selbstverpflichtung“. Nicht schlecht. Eine familienpolitische Variation des „Ausstieg aus dem Ausstieg vom Ausstieg“.
Es ging mal wieder um die leidige Frauenquote. Die Familienministerin hatte die Chefs der 30 Dax-Konzerne eingeladen, um ihnen noch mal so richtig mit dem Zeigefinger zu drohen. Wenn sie nicht bis 2013 den Anteil von Frauen in Führungspositionen verdreifachen, kommt die „Flexi-Quote“. Alle Achtung. Gleich noch so ein Wort. Zeichnet sich nicht eine Quote dadurch aus, dass sie eben nicht flexibel ist, sondern zum Beispiel 30 Prozent beträgt?
„Flexi“ sind eigentlich andere. Fluglinien zum Beispiel haben Flexi-Tarife. Das heißt, man kann ständig umbuchen und stornieren, bis kurz vor dem Abflug – gibt es übrigens nur für die Business Class. Normalerweise denken sich Marketingmenschen solche Wörter aus. Und genau hier liegt das Problem. Kristina Schröder führt ihr Ministerium nicht wie eine politische Institution, sondern wie eine Marketingabteilung. Sie veranstaltet Tagungen, gibt Studien in Auftrag und spricht mit Unternehmen an runden Tischen. Sie richtet eine Internetseite ein für benachteiligte Jungs und eine gegen Cybermobbing. Sie wünscht sich Wünsche, zum Beispiel familienfreundlichere Arbeitszeiten, und fordert Forderungen, wie mehr Frauen auf Chefsesseln. Nur braucht die Familienpolitik längst kein Marketing mehr. Ihre Relevanz ist unbestritten. Das Thema braucht Entscheidungen und Gesetze, zum Beispiel für eine Quote. Flexi-Politik tut keinem weh. Sie bringt aber auch nichts.
Dass Familienpolitik so flexibel geworden ist, liegt nicht nur an Kristina Schröder selbst. Es war Angela Merkel, die zu einer echten Quote nein gesagt hat. Und dann ist da noch Ursula von der Leyen. Über-Ursel saß gestern mit am Verhandlungstisch zur Quotenfrage und sitzt auch sonst gern der Familienministerin im Nacken. Noch am Morgen des gestrigen Treffens wetterte von der Leyen gegen das Quoten-Konzept der Ministerin. Sie will die Quote sofort. Auch sonst trägt Schröder schwer an ihrem Erbe. Das Elterngeld, für das ihre Vorgängerin gefeiert wird, frisst drei Viertel ihres Etats auf. Andere wichtige und emotionale Themen hat Leyen gleich mitgehen lassen in das Arbeitsministerium, so das Thema Kinderarmut. Auch wichtige Mitarbeiter folgten ihr.
Ursula von der Leyen hat erkannt, dass das Thema Familie keine großflächigen Fassadenplakate mehr braucht, dass man es damit, im Gegenteil, weit bringen kann. Zum Beispiel bis zur Kanzlerkandidatur. Deshalb hält sie am Thema fest, zum Schaden ihrer Nachfolgerin. Doch Leyen ist keine umfassende Ausrede. Schröder verpasst es, selbst Akzente zu setzen.
Dabei liegen einige Themen auf der Hand. 87 Prozent der Deutschen finden, dass die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verbessert werden muss. Das hat das Allensbach-Institut herausgefunden, in Schröders Auftrag. Allein die Zahl der Demenzkranken wird sich in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln, während die Jungen immer weniger werden. Das Thema wird die Gesellschaft in Zukunft bewegen wie kaum ein anderes. In der vergangenen Woche hat das Kabinett Schröders Vorschlag für eine Pflegezeit verabschiedet. Zwei Jahre sollen Arbeitnehmer eine Auszeit nehmen können, wenn sie Angehörige pflegen. Das ist ein Anfang – aber auch eine verpasste Chance. Denn auch die Pflegezeit ist „flexi“. Einen Rechtsanspruch darauf gibt es nicht.
„Flexi“ bleibt die Familienministerin übrigens auch, was den Stichtag für die Frauenquote angeht. Irgendwann im Jahr 2013, weiter festlegen wollte sie sich gestern nicht. Wie wäre es mit Weihnachten? Da gehen bekanntlich Wünsche in Erfüllung. Und Weihnachten 2013 liegt nach der nächsten Bundestagswahl.
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