"No Spy"-Abkommen: Deutschland droht sich zu blamieren
Seit Wochen ist zu hören, dass es mit einem "No Spy"-Abkommen nichts werden könnte. Jetzt wird die Verbitterung öffentlich. Wohl auch um die Niederlage vorzubereiten. Doch der Fehler liegt woanders: in einer naiven Erwartungshaltung.
Offiziell will von den Beteiligten keiner etwas zum Stand der Verhandlungen sagen. Der Bundesnachrichtendienst verweist auf die laufenden Gespräche zwischen Deutschland und den USA zu einem "No Spy"-Abkommen. "Die in Rede stehenden Verhandlungen über ein Zusammenarbeitsabkommen dauern an", sagte ein BND-Sprecher. Und es liege in der Natur der Sache, dass man solche Verhandlungen öffentlich nicht begleitend kommentiere. Auch bei der Bundesregierung heißt es: kein Kommentar.
Tatsächlich ist in Sicherheitskreisen aber seit Wochen zu hören, dass es mit dem geplanten Abkommen schwierig werde. Zäh seien die Verhandlungen. Jetzt berichten die "Süddeutsche Zeitung" und der NDR, dass es nix werde. Von Lüge ist sogar die Rede.
Dass die Verbitterung über den Stand der Verhandlungen jetzt bekannt und auch nicht dementiert wird, hat wohl schon präventiven Charakter. Einerseits will man den Druck auf die USA etwas erhöhen, andererseits will man schon mal sachte auf die Niederlage vorbereiten. Nur was hat man eigentlich erwartet? Hat die deutsche Seite tatsächlich geglaubt, dass der amerikanische Geheimdienst NSA plötzlich das Feld räumt und um Vergebung bittet? Das wäre naiv.
Die Verhandlungen zeigen einmal mehr die gravierenden Unterschiede zwischen beiden Staaten. Der BND als deutscher Auslandsgeheimdienst hat auch keine "No Spy"-Abkommen mit anderen Staaten. Warum auch - sind sie doch in befreundeten Staaten nach eigenen Angaben gar nicht aktiv. Die Amerikaner wiederum haben Abkommen mit befreundeten Staaten, allerdings nicht, um damit keine gegenseitige Bespitzelung zu manifestieren, sondern Zusammenarbeit und Austausch.
No Spy: Deutschland droht sich zu blamieren
Deutschland ist für die US-Geheimdienste nunmal ein wichtiger Ort: Dass die Drahtzieher des 11. September aus Hamburg kamen, ist den Amerikanern immer noch präsent. Dass es zahlreiche Deutsche gibt, die sich nach Syrien aufgemacht haben, um dort an der Seite von Islamisten zu kämpfen, ebenfalls. Die Fehler auf deutscher Seite sind die viel zu großen Erwartungen, die vor allem Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla geweckt hat. Kurzfristig wollte (und hatte er auch) mit der vollmundigen Ankündigung eines solchen Abkommens das Thema NSA-Skandal abgeräumt. Mittelfristig wird es aber nur auf die Koalitionäre - und zwar alle Beteiligten - zurückkommen wie ein Bumerang. Wenn die deutsche Politik am Ende entweder ganz ohne Abkommen oder mit einem völlig substanzlosen Papier dasteht, hat sie sich gründlich blamiert.
Die USA fürchten Begehrlichkeiten von anderen Staaten
Und dass US-Präsident Barack Obama noch einlenkt, ist unwahrscheinlich. Ende der Woche wird er in den USA einige Reformen für die NSA ankündigen. Wirklich harte Einschnitte werden nicht erwartet, aber würde gleichzeitig bekannt, dass die USA mit Deutschland noch ein umfangreiches Abkommen abschließen, würde das als Schwäche und Eingeständnis gelesen. Außerdem weckt das Begehrlichkeiten von anderen Staats- und Regierungschefs, deren Kommunikation ebenfalls von der NSA abgefangen wurde.
Aber was wäre mit einem umfangreichen "No Spy"-Abkommen überhaupt gewonnen. Man hätte eine Vereinbarung, deren Einhaltung schwer zu überprüfen wäre. Und es würde die deutsche Seite vor einem Schritt nicht entbinden, der auch ohne das Abkommen viel entscheidender ist: eine funktionsfähige Spionageabwehr. Hier hat Deutschland Nachholbedarf. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist dafür in Deutschland zuständig und dort werden seit langem mehr Geld und mehr Ressourcen gefordert. Hier kann Deutschland etwas tun - ohne auf amerikanische Interessen Rücksicht zu nehmen.
Christian Tretbar