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Saisonarbeiter
© dpa

Kindergeld für EU-Saisonarbeiter: Der Sozialstaat gehört nicht zu den vergemeinschafteten Bereichen

Laut einem EuGH-Urteil erhalten EU-Ausländer deutsches Kindergeld. Deutschland sollte seine Gesetze deshalb so ändern, dass sie auf EU-konforme Weise die gewünschten Ziele erreichen. Ein Kommentar.

Wird Kindergeld zum Zündelthema zwei Wochen vor der Europawahl? Natürlich regen sich Menschen darüber auf, wenn jetzt die Folgen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Sommer 2012 sichtbar werden: Hier lebende EU-Ausländer erhalten deutsches Kindergeld auch für die Kinder, die gar nicht hier wohnen, sondern in den Heimatländern. Inklusive der Nachzahlungen für die letzten vier Jahre schätzt die Regierung die Kosten auf eine Milliarde Euro bis Ende 2014 und auf zwei Milliarden Euro bis Ende des Jahrzehnts.

Damit lässt sich Stimmung machen, das war vorhersehbar. Gerade deshalb ist das Niveau der Auseinandersetzung so abstoßend. Die CSU will den Aufreger nicht AfD und NPD überlassen. Generalsekretär Andreas Scheuer fordert, die Regierung müsse den Kindergeldtransfer ins Ausland beenden. Ist das eine Selbstanklage? Die CSU regiert seit Jahren mit, hat aber nichts unternommen. Will sie nun den EuGH stürmen?

Und was hatte die Grüne Franziska Brantner erwartet, als sie das Thema mit ihrer Anfrage an die Regierung auf die Tagesordnung setzte? Nun redet sie das Problem klein: Die Kindergeldbezieher seien Menschen, die hier arbeiten und Steuern zahlen. Der Anteil der im Ausland lebenden Kinder liege, gemessen an allen Kindergeldzahlungen, unter einem Prozent.

Es braucht eine Gesetzesänderung

Das ist dreist und hart an der Grenze zur Täuschung. Bei den Folgen des Urteils geht es im Kern um zwei Gruppen: erstens Saisonarbeiter aus den neuen EU-Staaten im Osten, die überwiegend so wenig verdienen, dass sie keine Steuern zahlen. Und zweitens um Bürger aus Rumänien und Bulgarien, zu einem Gutteil Roma, die im Zuge der neuen Freizügigkeit kommen, von denen viele aber keine feste Arbeit finden. Es ist ihnen nicht vorzuwerfen, dass sie Kindergeld beantragen, wie die Rechtslage das erlaubt. Auch unter Deutschen ist der Anteil der Kindergeldempfänger, die nicht genug verdienen, um Steuern zu zahlen, beträchtlich. Aber Volksvertreter sollen das Volk nicht belügen.

In den ersten 18 Monaten nach dem EuGH-Urteil ist die Zahl der Kindergeldanträge von Nicht-Deutschen um 30 Prozent gestiegen, vor allem wegen der Migranten aus neuen EU-Staaten. Bei ihnen liegt der Anteil der nicht in Deutschland wohnenden Kinder, die deutsches Kindergeld beziehen, nach Auskunft von Praktikern zwischen 25 und 30 Prozent.

Die Kosten, die die Bundesregierung nennt – 200 Millionen Euro pro Jahr plus 400 Millionen Nachzahlungen –, sind eher untertrieben. Sie beruhen auf Schätzungen, in die der starke Anstieg der Anträge noch nicht eingeflossen war. Wenn man allein die 30 000 unbearbeiteten Anträge nimmt und von durchschnittlich drei Kindern ausgeht, summiert sich das auf weitere 200 Millionen Euro pro Jahr.

Auch das wird Deutschland nicht ruinieren. Doch das Urteil des EuGH schadet Europas Ansehen, weil die Bürger es nicht verstehen. Deutschland muss es achten, kann es aber als Vorlage nutzen, um seine Gesetze so zu ändern, dass sie auf EU-konforme Weise die gewünschten Ziele erreichen. Der Sozialstaat gehört nicht zu den vergemeinschafteten Bereichen.

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