Gregor Gysi: Der letzte Kommunist
In der Linkspartei tobt ein heftiger Streit über die Frage, ob man den nordirakischen Kurden für ihren Kampf gegen die Dschihadisten Waffen liefern sollte. Gregor Gysi hat die Pazifisten-Riege in seiner Partei aufgebracht.
Was die Linken derzeit austragen, ist ein Streit um des Ulbrichts Bart. Machen wir uns nichts vor: Als Gregor Gysi seine politische Sozialisation erlebte, wurde an den SED-Parteischulen sehr wohl unterschieden zwischen gerechten und ungerechten Kriegen. Dass das freilich zumeist unter dem Vorzeichen des Klassenkampfes und dem angestrebten Sieg des Sozialismus über den Imperialismus als der letzten Phase des Kapitalismus stand, ist nebensächlich. Entscheidend ist: Kommunisten waren nie reine Pazifisten, konnten es nicht sein, weil der vermeintlich gerechten Sache eben in der Regel nur mit Gewalt zum Erfolg verholfen werden konnte.
Insofern ist Gysis Haltung heute durchaus konsequent. Nicht er wird der linken Ideologie untreu, sondern seine Partei ist es in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten geworden. Sie hat nach der deutschen Einheit den Pazifismus als populäres Thema für sich entdeckt, um sich als beharrliche Opposition gegenüber der jeweiligen Regierung zu profilieren. Als die damalige PDS mit der WASG und mancherlei Sektierern zur Linkspartei verschmolz, erhielt die gerontologische Altkader-Truppe noch einmal einen lebenserhaltenden pazifistischen Bypass. Diese Grundhaltung wurde zum attraktiven, aber eben auch koalitionsverhindernden Alleinstellungsmerkmal. Um dieses fürchten nun die Linken-Hardliner. Gysi ist, wieder einmal, seiner Partei voraus.