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Porträt Sarah Silverman: „Der Holocaust ist nicht immer nur lustig“

Jenseits der Betroffenheitsreflexe: Über die Aufregung um Harald Schmidts "Nazometer" könnte die jüdische Komikerin Sarah Silverman nur müde lächeln.

Der deutsche Streit um Harald Schmidts „Nazometer“ kann Amerikanern nur ein gelangweiltes Lächeln entlocken. Sie sind andere Kaliber gewohnt, was Satire alles darf. Den schwärzesten Humor über die Nazizeit verbreitet in den USA eine jüdische Komikerin, Sarah Silverman, eine 36-Jährige mit Engelsgesicht und langen schwarzen Haaren.

Kostproben kann sich jeder bei der Internetvideobörse Youtube ansehen, etwa über die Erziehungsversuche mit ihrer kleinen Nichte. „Hitler hat 60 Millionen Juden umgebracht“, plappert das Kind. „Sechs Millionen, nicht 60“, korrigiert Sarah. „Macht das einen Unterschied?“, fragt das Kind. Gelächter im Publikum. „60 Millionen wären wirklich unverzeihlich“, antwortet Sarah und ergänzt: „Sie ist ein Kind, man muss es ihr in ihrer Sprache erklären.“ Das Publikum findet auch das unfassbar komisch. Ebenso ihre Witze, dass Hitlers Geburtstag nun immer früher begangen werde, mit Girlanden in US- Kaufhäusern. „Nazis sind Arschlöcher“, resümiert sie. „Ich darf so was sagen, ich bin Jüdin“, entschuldigt sie sich für das unerlaubte Kraftwort. „Wissen Sie, der Holocaust ist nicht immer nur lustig.“

Sarah Silverman ist die jüngste von vier Töchtern jüdischer Eltern aus Polen und Russland, deren Familien rechtzeitig aus Europa ausgewandert waren. Sie wuchs in New Hampshire auf und startete mit Anfang 20 ihre Karriere als Sketchautorin und Schauspielerin. Selbst erste Misserfolge verarbeitete sie satirisch in Szenen über eine junge Debütantin in einer Comedy Show, deren Ideen wegen angeblichem Chauvinismus der Führung nicht gesendet werden. Das verhalf ihr zum Durchbruch.

Ihre Holocaust-Provokation vermengt sie mit Amerikas Tabus wie dem Alltagsumgang mit Schwarzen. „Hätte es in den 30er Jahren Schwarze in Deutschland gegeben, wäre es nie zum Holocaust gekommen“, hebt sie scheinbar ernsthaft an. Nach einer Kunstpause fährt sie fort: „Jedenfalls nicht zum Holocaust gegen Juden.“

Sarah Silverman arbeitet in einer anderen gesellschaftlichen Umgebung als Harald Schmidt. Ihr Naziklamauk stößt sich nicht mit nationalen Betroffenheitsreflexen. Der Spruch, wonach Satire alles darf, gilt hier wie dort vor allem für jene, die von vornherein unverdächtig sind. Philipp Jenninger musste als Bundestagspräsident zurücktreten, weil er 1988 in einer nachdenklichen Rede zur Reichspogromnacht die Anführungszeichen von Zitaten nicht erkennbar genug mitgelesen hatte. Ignatz Bubis, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, konnte exakt dieselben Passagen vortragen, ohne dass sich jemand daran störte. Wenn Sarah Silverman rassistische Klischees über Schwarze und Latinos von sich gibt, erntet sie Lachen. Denn jeder versteht: Dies ist Satire. Christoph von Marschall

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