Homo-Ehe: Den Staat geht das nichts an
Dem Staat sollte es egal sein, warum Menschen Lebenspartnerschaften eingehen, denn wenn zwei Menschen einen Fürsorgevertrag abschließen, entlastet das die Gemeinschaft. Doch in der Union dominiert Angst die Debatte.
Wie würdigt der Staat Menschen, die Verantwortung füreinander übernehmen, egal, in welcher Lebenssituation sie sich gerade befinden? Eine solche Debatte wäre die logische Fortsetzung der Diskussion um Steuersplitting und Homo-Ehe. Denn die Idee hinter dem Ehegattensplitting ist keine schlechte: Mit der Ehe gehen zwei Menschen nicht nur eine Vorteilsgemeinschaft ein, sie bürden sich gegenseitig auch Pflichten auf. Der Staat bezeugt das nur. Lässt man die religiöse Dimension außer Acht, entpuppt sich die Ehe in aller Schlichtheit als Fürsorgevertrag zwischen zwei Menschen.
Diese Fürsorge entlastet den Staat, weshalb es ganz grundsätzlich darum geht, eine Art Arbeitsteilung zu finden zwischen der großen Gemeinschaft aller Bürger und einer kleineren Gemeinschaft, die aus zwei Menschen, mit oder ohne Kindern, bestehen kann. Auch das Menschenbild des Grundgesetzes beruht darauf, dass der Staat erst dann tätig wird, wenn es im Privaten nicht mehr anders geht.
Anlässe zu einer Neudefinition dieser Arbeitsteilung gäbe es genug. Nicht nur, weil der Zeitgeist es so will, sondern etwa auch, weil das Älterwerden von Menschen bisher ungewohnte Situationen erzeugt. Was ist zum Beispiel mit zwei Witwen, die sich nach dem Tod ihrer Partner gegenseitig absichern wollen und dabei niemandem auf der Tasche liegen möchten? Bisher ist das, wenn überhaupt, nur mit komplizierten privatrechtlichen Verträgen möglich.
Die Franzosen sind in dieser Hinsicht weiter. Weil 1999 dort die Homo-Ehe nicht durchsetzbar war, führte die Regierung den Zivilpakt „Pacs“ ein. Sie ist eine Art Lebenspartnerschaft, mit dem Unterschied, dass sie auch Steuervorteile bietet. Zur allgemeinen Überraschung wurde der Pakt nicht so sehr von Schwulen und Lesben in Anspruch genommen. Stattdessen löste er einen Ansturm von Heterosexuellen aus. Mit dem Ergebnis, dass 2010 mehr als 200 000 Zivilpakte, aber nur noch 250 000 neue Ehen geschlossen wurden.
Vermutlich rührt aus diesem Szenario die Angst, die einige in der Union umtreibt. Denn die Hauptargumentationslinie der Gleichstellungsgegner beruht darauf, zu behaupten, mit der Homo-Ehe werde der besondere Schutz der herkömmlichen Ehe beschädigt. Das allerdings stimmt gerade nicht. Das Gegenteil dürfte der Fall sein: Gerade der Status der Ehe und deren Abgrenzung zu anderen Lebensmodellen würden bei einer Öffnung für Homosexuelle noch einmal besonders hervorgehoben. So unterminiert die Union gerade jenes Ehemodell, das sie eigentlich zu fördern vorgibt.
Vielleicht geht es am Ende nur um den Begriff der „Ehe“. Denn auch hinter der Emanzipationsforderung vieler Schwuler und Lesben verbirgt sich weniger das Verlangen, Steuern zu sparen, sondern wohl eher der Wunsch, in der Sprache nicht herabgesetzt zu werden. Ob die kleinste Gemeinschaft der Gesellschaft nun Ehe oder Pakt heißt, sollte allerdings egal sein – jedenfalls für den Staat, der nicht die Rolle einer Kirche übernimmt. Denn nach den Motiven, warum zwei Menschen füreinander einstehen, hat er nicht zu fragen. Es geht ihn nichts an, warum es passiert, ob aus Vernunft oder aus Liebe.