Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin: Das undemokratische Ultimatum des Polizeichefs
Dass der Berliner Polizeipräsident Kandt im Fall der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg dem Bezirk ein Ultimatum gestellt hat, hält unser Autor für einen Fehler. In einem Rechtsstaat sollte das nicht passieren.
Darf ein Polizeipräsident staatlichen Institutionen ein Ultimatum stellen, oder so fahrlässig formulieren, dass dies derart verstanden wird? Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt hat damit sein Amt, das er seit 2012 mit ruhiger Übersicht und sachorientierter Klarheit ausübt, unangemessen politisiert. Die Ankündigung, abzuziehen, falls der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg keine Räumungsaufforderung für die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule erteilt, sollte die grüne Bürgermeisterin unter Druck setzen – berührt aber eine grundsätzliche Ebene. Denn die Polizei kann nicht machen, was sie will, nicht in einer Demokratie mit klarer Gewaltenteilung. Deswegen entscheidet nicht die Bundeswehr, ob sie in Afghanistan bleibt, sondern gottlob das Parlament.
Kreuzberger Grüne indirekt verantwortlich für den Tod eines niedergestochenen Marokkaners
Vielen Berlinern mag Kandts Reaktion verständlich sein. Er möchte seine Beamten nicht als Sündenböcke – und möglicherweise als Prügelknaben – für eine politisch verfahrene Situation missbraucht sehen. Es war immerhin der Bezirk, der zuließ, dass die Schule zur menschenunwürdigen Wohnstatt und zum Kriminalitätsschwerpunkt wurde. Indirekt sind die Kreuzberger Grünen damit verantwortlich für den Tod eines niedergestochenen Marokkaners – die Grünen, die nun kleinlaut zugestehen, dass sie den Flüchtlingen zu viel Hoffnung gemacht haben. Es war auch der Bezirk, der den Polizeieinsatz anforderte, um den Umzug der Flüchtlinge abzusichern.
Man muss daran erinnern, um den Unmut der Polizei zu verstehen, die sich in einen Konflikt hineingezogen fühlt, den andere zu verantworten haben. Man ahnt, wie der Bezirk mit einer Verzögerungsstrategie darauf zielt, der Polizei eine eskalierende Rolle zuzuschieben, um sich nach einer unvermeidlichen Räumung derart aus der selbstverschuldeten ausweglosen Situation herauszuwinden.
Kandt hat sich als eigenständige politische Gewalt gebärdet
So verständlich der Ärger der Beamten ist, so wenig berechtigt der des obersten Polizisten, sich als eigenständige politische Gewalt zu gebärden. Man kann zwar fragen, ob für den Einsatz in Kreuzberg ein so riesiges Polizeiaufgebot mit Hundertschaften aus anderen Bundesländern notwendig war. Dies zu entscheiden aber ist die ureigenste Aufgabe des Polizeipräsidenten, denn er ist verantwortlich für einen reibungslosen und friedlichen Einsatz. Gehen oder kommen, wie man will, liegt aber nicht in seinem Ermessen. Wenn es eine Gefährdungslage gibt, muss die Polizei präsent sein.
Dem Polizeipräsidenten ist das zweifellos bewusst. Bleibt die Frage, ob dies auch für seinen Dienstherrn, Innensenator Frank Henkel (CDU) gilt. Denn ohne dessen stillschweigende Billigung – oder augenzwinkernde Ermutigung – ist Kandts seltsames Ultimatum kaum vorstellbar. Es bleibt: Innensenator Henkel müsste seinem Polizeipräsidenten eine klare Ansage machen. Alles andere wäre eine Bestätigung, dass hier über Bande Zwist in die ohnehin fragile Senatskoalition hineingetragen wird. Schließlich war Henkel zu Jahresbeginn mit seiner Forderung nach einer Räumung des Oranienplatzes beim Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit abgeblitzt. In diesem Fall aber hätte sich der Polizeichef nun mit dem Ultimatum instrumentalisieren lassen – das ist erst recht kein gutes Signal für die Berliner Polizei.
Gerd Nowakowski