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Wenn Medien den Behörden kritische Fragen stellen, erhalten sie oft keine Antwort. Das Bundesverwaltungsgericht hatte über einen solchen Fall zu entscheiden.
© dpa

Presse und Recht: Das Herrschaftswissen bleibt schwer zugänglich

In seinem jüngsten Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht den Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Behörden de jure heraufgesetzt, de facto aber abgewertet - und ins Belieben der Ämter gestellt. Die Politik sollte dringend über die geltenden Gesetze nachdenken.

Es wird dieser Tage viel geredet von „Open Data“ und „Open Government“, zwei politischen Schlagwörtern des Internetzeitalters. Versprochen wird uns eine Regierung, die ihr Herrschaftswissen vergemeinschaftet, Diener für den Bürger sein will; ein braver Arbeiter im Weinberg der Demokratie. Am Mittwoch hat sich gezeigt, dass davon so viel nicht zu halten ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Behörden de jure zum Verfassungsrecht heraufgesetzt, de facto aber abgewertet.

Es mag ein Urteil gewesen sein, wie es auf Grundlage geltender Gesetze nicht anders möglich war. Dann aber wäre es Aufgabe der Politik, einmal über die Gesetze nachzudenken. Es kann nicht sein, dass eine Gesellschaft, die stolz sein will auf die Kontrollierbarkeit ihrer Exekutive, nun schweigend hinnimmt, wenn sich in deren Institutionen schleichend wieder obrigkeitliches Gebaren breitmacht. Denn Verfassungsrecht hin oder her, das Urteil vom Mittwoch stellt die Ansprüche der Presse zunächst einmal wieder ins Belieben der Behörden.

Von einem „Mindeststandard“ sprach der Vorsitzende Richter. Wollen wir uns ab sofort in Sachen Demokratie und Rechtsstaat mit „Mindeststandards“ begnügen? Kommt es so, wäre es der befremdlichste politische Erfolg, den ein Bundesinnenminister in den vergangenen Jahren errungen hat. Denn es sollte daran erinnert werden, dass die Vorlage für eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung aus dem Haus von Hans-Peter Friedrich kam. Er ließ den Anwalt der Regierung, der vor dem höchsten Verwaltungsgericht der Republik als „Vertreter des Bundesinteresses“ firmierte, gegen die bisher geübte Praxis argumentieren. Wenn dies begleitet gewesen wäre durch eine Initiative, wie die gerissene Lücke zu schließen ist, gäbe es wenig daran auszusetzen.

Aber so sieht es danach aus, als habe sich ein Minister stellvertretend für seine Kollegen lästiger Fragesteller entledigen wollen. Vielleicht steckte Chuzpe dahinter oder eine gewisse Renitenz; schlimmer und wahrscheinlicher aber war es des Ministers Desinteresse. Natürlich geht es nicht nur um Fakten, es geht auch um Symbole. Man muss nicht ständig mit Paragrafen winken, um in Behörden an Auskünfte zu gelangen. Es kann auch so etwas wie gute Zusammenarbeit geben. Doch die kann schnell aufgekündigt werden, wenn eine Anfrage Mühe kostet oder die politische Leitung des Hauses möglicherweise in ein schlechtes Licht gerückt werden könnte. Dann sollten die Journalisten ein paar Rechte an ihrer Seite wissen.

Wofür braucht man diese Rechte sonst, wenn nicht zum recherchieren? Eine Zensur findet schon länger nicht mehr statt. Auch eine zweite Tendenz des Urteils stimmt bedenklich. Eine Auskunft, dekretieren die Richter, könne nur für Informationen erteilt werden, die aktuell vorhanden sind. Sie halten es offenkundig schon für unzumutbar, die vorliegenden Informationen aus dem amtlichen Bestand zu sammeln und zusammenzufügen. Wer zum Beispiel erfahren möchte, wie viel Geld eine Behörde für ihre neue Computerausstattung insgesamt bezahlt hat, könnte vergeblich auf Auskunft warten. Denn niemand kann die Behörde zwingen, die Einzelposten zu addieren. Sollte sich diese lebensfremde Sichtweise im schriftlichen Urteil bestätigen, sollte das also der neue „Mindeststandard“ sein, ist dem Kläger für seinen angekündigten Gang vor das Bundesverfassungsgericht Glück zu wünschen.

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