Koalitionspoker: Das Geschwätz von gestern
So viel ist sondiert: Die Grünen werden wie die FDP, der SPD tut alles weh. Wohl auch zu sehen, wie handzahm die Grünen bei Angela Merkel sind. So kennen die Genossen ihre Ex-Partner schließlich gar nicht.
Und nun gehen wir in ein Wochenende, in dessen Verlauf wieder der eine das und die andere das sagen wird. Will heißen: Politik über Bande gespielt wird. Koalition über Sottisen gemacht wird. Oder Sottisen über die mögliche Koalition? Gleichviel, die Situation nähert sich von mehreren Seiten dem Unwürdigen.
Vor allem ein Ärgernis: die Grünen. Nachdem sie sich, widerspruchslos angeführt von Jürgen Trittin, zwischen Linkspartei und SPD einsortiert hatten, blinken sie nun nach allen Richtungen. Wollte man es witzig nehmen: lechts, rinks, egal. Fehlt nur noch, dass einer aus den Büschen kommt, der fordert, man solle doch einmal ernsthaft mit den Linken über Zusammenarbeit gleich welcher Art auch immer nachdenken, weil das doch auch in NRW so gut geklappt habe… Oder hat das in der Zwischenzeit vielleicht schon jemand gesagt? Man kommt bei den schnellen Positionswechseln ja manchmal nicht mehr hinterher.
Adenauer passt inzwischen ja auch zu den Grünen
Die Grünen also sind – ironischerweise auch noch mit dem Satz „Wir gehen da nicht ohne Jürgen Trittin rein“ auf dem Weg zu der Kanzlerin, die sie vorher so stramm abgelehnt hatten. Bloß nicht weiter mit Angela Merkel, so lautete die Devise. Aber frei nach Adenauer, der inzwischen ja auch zu den Grünen passt: Was schert mich mein Geschwätz von gestern. Heute geht es um Macht, vor allem geht es das für die Älteren, und wenn die regieren wollen, dann so. Man stelle sich vor: Trittin, der für alles verantwortlich ist, vor allem für den (Links-)Kurs im Wahlkampf, wird plötzlich Bundesminister mit den Konservativen.
Im Koalitionspoker ist alles möglich
Alles ist möglich. Und eben auch das Gegenteil, dass nämlich der Grünen-Spitze doch noch auffällt, wie sehr sich ihre Basis und ihre Wähler die Augen reiben würden, wenn das jetzt nahezu reibungslos vollzogen würde. Denn das wäre – ja, das wäre wie bei der FDP, damals, als sie von Helmut Schmidt zu Helmut Kohl wendete. Heute wäre eine schwarz-grüne Koalition das beste Wiederbelebungsprogramm für Liberale. Dazu kommt: Schwarz und Grün führt zu mehr Schwarz. Das ist das Merkel-Theorem, in praxi; die SPD hat’s erlebt, die FDP danach, und die war, als sie anfing, viel, viel stärker als die Grünen. Die fühlen sich nur stark, weil sie denken, dass grüne Themen auf der Agenda stehen; das standen liberale aber auch.
Und die SPD? Die schaut zu, mit offenem Mund vor Staunen. So handzahm waren die Grünen bei ihnen nie. Aber es stimmt schon: Wenn es der CDU gelingt, die Grünen aus dem linken Lager herauszuholen, dann ist die strategische Chance der SPD auf Machtgewinn im Bund auf Jahrzehnte dahin. Was, andererseits, die große Koalition auch nicht attraktiver erscheinen lässt. Dennoch muss die SPD regieren, in der Opposition wird sie sich sonst weiter in Grabenkämpfen verlieren. Vielleicht mag Hannelore Kraft dann doch das Überleben der SPD als gestalterische Kraft im Bund über die Bedeutung ihrer Kommunalwahl in NRW stellen? Man darf gespannt sein, was das Wochenende bringt.