Kein Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger: Dann lieber abtreiben
Kinder kriegen trotz unsicheren Jobs? Die Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger trifft Frauen aus der Generation Praktikum und Alleinerziehende besonders hart. Kommentar zu einem Skandal.
Verhütungsmittel werden nicht vom Hartz-IV-Regelsatz gedeckt. Frauen, die von Arbeitslosengeld II leben, müssen also entweder auf Sex verzichten oder sich die Kosten für Pille oder Kondom anderweitig vom ohnehin knapp bemessenen Regelsatz absparen, wenn sie nicht schwanger werden wollen. Und nach dem jüngsten Coup der Bundesregierung sollten sich die Frauen das mit dem Schwangerwerden wirklich gründlich überlegen. Denn Hartz-IV-Empfänger bekommen künftig kein Elterngeld mehr.
Vergessen ist die Beteuerung, dass für Alleinerziehende und ihre Kinder mehr getan werden müsse. Die Streichung des Elterngeldes wird sie nämlich in besonderem Maße treffen. 43 Prozent der Mütter, die ihre Kinder allein erziehen, sind auf Hartz IV angewiesen.
Verlogen ist auch die gern wiederholte Klage, dass in Deutschland zu wenig Kinder geboren werden. Genau das gegenteilige Signal bedeutet die Abschaffung des Elterngeldes für die Ärmsten: Schaffe dir kein Kind an, so lange du es dir nicht leisten kannst, so lange du nicht in einem sicheren Job bist.
Gerade diese sicheren Jobs gibt es aber für viele Frauen, die jetzt Kinder bekommen könnten, gar nicht mehr. Betroffen ist nämlich die Generation Praktikum: Die Uni-Absolventin, die sich von Praktikum zu Stipendium zu Callcenter-Job hangelt, um ihre Promotion zu finanzieren, die Erzieherin, die nur befristet eingestellt wird, die Selbständige, der plötzlich die Aufträge wegbrechen. Wer in einer solchen Situation schwanger wird, hat nur sehr geringe Aussichten auf eine neue Stelle, so lange das Kind nicht in die Kita gehen kann. Für diese Frauen bedeutete das Elterngeld zusätzlich zu Hartz IV eine kleine Erleichterung, eine Perspektive, das betreuungsintensive erste Jahr mit Kind finanziell zu überbrücken – um danach wieder durchzustarten.
Und noch eine andere Botschaft geht von der Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger aus: die Abwertung der Erziehungsarbeit. Wer einen Säugling zu Hause hat, der ist nicht arbeitslos, sondern in einem 24-Stunden-Job beschäftigt und steht dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Auch das honorierte das Elterngeld. Dass die Kanzlerin die Streichung unter anderem damit begründet, Anreize für die Wiederaufnahme von Arbeit zu erhöhen, ist zynisch.
So werden nun also noch mehr junge Frauen den Kinderwunsch aufschieben, bis sie vielleicht einmal in einem regulären Arbeitsverhältnis angekommen sind – oder bis es zu spät ist. Und wenn es doch mal passiert? Ein Schwangerschaftsabbruch wird für Hartz-IV-Empfängerinnen aus Steuermitteln bezahlt.