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US-Präsident Barack Obama lässt sich von einem Schüler bei einem Besuch der Mooresville Middle School in North Carolina etwas auf einem Apple-Laptop zeigen.
© Reuters

Überwachung in den USA: Barack Obama hat sein Wahlversprechen gebrochen

Die Sicherheit solle nicht mehr über allen Idealen und nicht mehr über der Rechtstaatlichkeit stehen, versprach Barack Obama 2009. Dann verlängerte er genau jene Sicherheitsgesetze der Bush-Regierung, die die Grundlage für die massive Überwachung von Millionen von Amerikanern sind.

Wir sind am heutigen Tag zusammengekommen, sagte Barack Obama bei seiner Antrittsrede 2009 pastoral, weil wir die Hoffnung der Angst vorziehen. Nicht länger, versprach der frischgewählte Präsident, müssten sich die Amerikaner zwischen ihrer Sicherheit und ihren Idealen entscheiden. Die Rechtsstaatlichkeit solle gestärkt werden. „Change“ versprach er dem Land. Viereinhalb Jahre später zeigt sich, zumindest was das Verhältnis von Sicherheitspolitik und Rechtstaatlichkeit angeht: Nothing much has changed – nicht viel hat sich verändert.

Die National Security Agency (NSA) und das FBI durchsuchen im großen Stil die Daten von US-Bürgern, und zwar offenbar direkt auf den Servern großer Internetdienstleister. Der „Washington Post“ wurden Dokumente zugespielt, die belegen, dass neun Unternehmen betroffen sind, darunter Google, Facebook und Apple. Verwendet werden E-Mails, Audio- und Videodateien. Nur kurz zuvor musste die Obama-Regierung einräumen, massenhaft Verbindungsdaten von Verizon durchsuchen zu lassen, einem der Telefongiganten am amerikanischen Markt. Die Überwachung ist ohne die Anweisung eines Gerichts mit Bezug auf einen einzelnen Bürger möglich. Überwachung total, ohne dass Bürger es merkt. Ist das normal?

Die Unternehmen dementieren. Nichts gewusst, nichts gemerkt. Sicherheitsinsider reagieren entspannt: Alles bekannt, alles legal. Und tatsächlich gibt es gesetzliche Grundlagen für die Überwachung, dafür hat Obama schließlich gesorgt. George W. Bushs „Patriot Act“ wurde erst 2011 verlängert, der „Foreign Intelligence Surveillance Act“ Ende 2012. Das nun konkret diskutierte Überwachungsprogramm PRISM geht ebenfalls auf Bush zurück und wurde von der Obama-Regierung weitergeführt.

Rechtlich mag die Datenanalyse also abgesichert sein, eine Rechtfertigung aber ist das nicht, nicht aus europäischer Perspektive (wird doch hierzulande schon debattiert, ob Daten ohne Richterbeschluss überhaupt länger gespeichert werden dürfen) und auch nicht nach der Ansicht so manches Kongressmitglieds. Nun könnte man sagen: Sollen die Amerikaner das regeln. Protest gibt es schließlich genug. Doch in der globalisierten und vernetzten Welt betrifft alles alle.

Zum einen haben die USA längst begonnen, ihre Maßstäbe zu exportieren. Die „Washington Post“ hat eine Präsentation des PRISM-Programms ins Internet gestellt. Darin konstatiert die NSA trocken, das ein großer Teil des internationalen Datenverkehrs über Server in den USA abgewickelt wird. Wie praktisch, freuen sich die Geheimdienstler. Der NSA-Grafik zufolge fließen allein aus Europa fast 5000 Gigabyte pro Sekunde in die USA: 1000 DVDs voll mit privaten Gesprächen, Geschäftsdaten, Videokonferenzen. Und wo das nicht reicht, können amerikanische Behörden ja auf die Daten zurückgreifen, die ihnen das europäisch-amerikanische Fluggastdatenabkommen garantiert.

Zum anderen erodiert mit jedem derartigen Bericht über rechtstaatlich zweifelhafte Praktiken die Vorbildrolle der USA, an der auch Obama bei aller außenpolitischen Zurückhaltung festhält. Auf internationalen Konferenzen treten der Präsident und seine Vertreter als Verfechter der Freiheit des Internets auf – zu Hause betreibt er die Verschärfung der Überwachung, zu Sicherheits- und Wirtschaftszwecken. Von der Politik der gezielten Tötungen und dem Umgang mit den Guantanamo-Häftlingen an dieser Stelle einmal zu schweigen. Die Bigotterie ist unverkennbar. Mahnungen wird Obamas chinesischer Amtskollege beim Treffen an diesem Wochenende und in Zukunft noch süffisanter weglächeln.

Irgendwann führt ein allzu großes Auseinanderklaffen von Anspruch und Realität schließlich auch zu inneren Erosionen. Obwohl sie sich traditionell weniger Sorgen um ihre Daten machen, haben viele Amerikaner Obamas Versprechen nicht vergessen. Das Versprechen, nicht mehr wählen zu müssen zwischen Sicherheit und Rechtstaatlichkeit. Am Donnerstag sagte Obamas Sprecher nun: „Die oberste Priorität des Präsidenten ist die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten.“ Damit herrscht immerhin Klarheit.

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