Donald Trump: Angeschlagen, dünnhäutig, gereizt
Donald Trump ist erratisch wie immer, aber seit den Kongresswahlen auch ganz anders. Ihm schwindet der Glaube an die eigene Unbesiegbarkeit. Ein Kommentar
Ein Prahlhans war Donald Trump schon immer. Mit provozierender Arroganz schmäht er seine Widersacher, feuert Minister nach Belieben, sucht mit jedem Streit, protegiert seine Familie.
Insofern überraschen auch seine letzten Volten nicht. Auf Geheiß seiner Ehefrau Melania entlässt Trump die stellvertretende Nationale Sicherheitsberaterin, Mira Ricardel, weil es bei der Reise der First Lady nach Afrika Streit um Sitzplätze gegeben hatte. Die Demokraten beschuldigt der US-Präsident, bei den Kongresswahlen in Florida geschummelt zu haben. Bei seinem Frankreich-Besuch zofft er sich mit Emmanuel Macron, Theresa May beschimpft er wegen der britischen Iran-Politik. Das einzig Gute daran: Weil Trump gegen alle wettert, muss keiner seine aggressiven Tiraden persönlich nehmen.
Doch etwas ist anders seit den Kongresswahlen. Mit seinem erratischen Verhalten sieht Trump plötzlich „wie ein Verlierer“ aus, heißt es im Internet-Magazin „Salon“. Er habe sich in „einen Kokon aus Verbitterung und Ressentiments zurückgezogen“, bilanziert die „Los Angeles Times“. Im Weißen Haus herrsche das „blanke Chaos“, hat „Politico“ herausgefunden.
Der Präsident wirkt angeschlagen und dünnhäutig. Er reagiert aufbrausend – wie beim Schlagabtausch mit einem CNN-Reporter — oder weicheiig: Den Termin auf einem Soldatenfriedhof in Frankreich, um der toten Amerikaner aus dem Ersten Weltkrieg zu gedenken, sagt Trump kurzfristig ab. Es regnet und er hat Angst um seine Frisur. Statt dessen sitzt er im Trockenen und zetert per Twitter über die miserable Wald- und Forstwirtschaft in Kalifornien, wo das verheerende Feuer bereits Dutzende Menschen getötet hat.
Ein verzagtes, wasserscheues Rumpelstilzchen
Verhält sich so der Oberkommandierende der stärksten Streitmacht der Welt? Muss irgendjemand Respekt haben vor einem verzagten, wasserscheuen Rumpelstilzchen?
Der Umschlag ins Griesgrämige setzte unmittelbar nach den Kongresswahlen ein. Denn deren Ergebnisse waren für Trump wie ein Schlag ins Gesicht. Er hatte Wahlkampf betrieben, als sei es um die Präsidentschaft gegangen, hatte riesige Hallen gefüllt, in seiner Bilanz eine boomende Wirtschaft vorzuweisen, niedrige Arbeitslosigkeit, zwei konservative Verfassungsrichter, das Militär geschickt, um Flüchtlinge aus Lateinamerika am Grenzübertritt zu hindern.
Das musste doch ein Triumph werden! Dieses eine Mal hatte Trump es all seinen Kritikern zeigen wollen: Seht her, ich bin der größte, beste und beliebteste amerikanische Präsident aller Zeiten. Es kam anders. Die Demokraten errangen die Mehrheit im Repräsentantenhaus, selbst bei den Wahlen zum Senat, in dem die Republikaner wenige Sitze hinzugewannen, hatte die Opposition einen Vorsprung von 14 Millionen Stimmen. Unterdessen führt Kim Jong-un ihn an der Nase herum, bleibt die Mauer an der Grenze zu Mexiko eine Luftnummer, verschärfen sich die Spannungen im Nahen Osten, spüren die negativen Auswirkungen der Handelskonflikte immer mehr Amerikaner.
Seit den Midterms schwächt grünes Kryptonit den selbsternannten Superman der Vereinigten Staaten. Und es ist nicht zu sehen, wie Trump jemals zu alter Kraft zurückfinden soll.