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Valdis Dombrovskis und Donald Tusk.
© dpa

Osteuropa und die Euro-Krise: Agenda 1990–2010

Kein Widerspruch zwischen Austerität und Wachstum: Die Erfahrungen Osteuropas können in der Euro-Krise ein Vorbild für den Süden sein

Ein wichtiger Teil Europas wird aus der deutschen Debatte über die Euro-Krise sowie die gesamteuropäische Schulden- und Wachstumskrise weitgehend ausgeblendet: die EU-Mitglieder und Euro-Anwärter östlich der Bundesrepublik. Das ist erstaunlich, denn sie haben, erstens, Erfolge vorzuweisen, können also Vorbilder sein. Zweitens bieten sie sich als natürliche Bundesgenossen im Umgang mit den Sorgenländern im Süden an. Das erdrückende Narrativ in der westlichen Öffentlichkeit klingt so: Der übermächtige Hegemon Deutschland zwingt die armen Partner im Süden zu Austerität und macht dadurch alles nur noch schlimmer.

Diese Darstellung war schon immer irreführend. Schließlich steht Deutschland mit seiner Mahnung zu Finanzdisziplin und zu strukturellen Reformen, die Rezessionsländer wieder wettbewerbsfähig machen können, nicht allein. Andere Staaten wie Finnland, Österreich, die Niederlande, Schweden sehen es ähnlich. Dem reichen Norden halten notleidende Südländer freilich entgegen: Ihr habt gut reden, euch geht es gut; ihr predigt uns Wasser, trinkt aber Wein.

Umso nützlicher wäre es, wenn die Stimmen der Balten, Polen, Slowaken und Tschechen mehr Gehör fänden. Ihnen kann man nicht vorwerfen, dass sie im Luxus leben, von anderen aber Opfer verlangen. Sie fragen vielmehr: Warum soll es für Südeuropäer unzumutbar sein, sich an die ökonomische Realität anzupassen? Sie selbst mussten das seit der Wende immer wieder, haben seit zwei Jahrzehnten ihre jeweilige „Agenda 2010“ betrieben. Und das hat sich aus ihrer Sicht gelohnt.

Beim Wirtschaftsforum für Mitteleuropa in Krynica präsentieren die Regierungschefs stolz ihre Bilanzen. Polen sei das Land mit dem höchsten Wirtschaftswachstum im Vergleich zum Beginn der Finanzkrise, berichtet Premier Donald Tusk: plus 20 Prozent in den fünf Jahren seit 2008. Er führt das auf eine moderate Wirtschaftpolitik zurück. Für Investoren sei Polen der attraktivste Standort der Region. Geld müsse erst mal verdient werden, bevor der Staat es besteuern und ausgeben darf.

Noch forscher argumentiert Lettlands Ministerpräsident Valdis Dombrovskis. Es gebe keinen Widerspruch zwischen Austerität und Wachstum, sie sei die Voraussetzung für neues Wachstum. Lettland habe nach Ausbruch der Finanzkrise die tiefste Rezession aller EU-Staaten durchlitten, die Staatsausgaben stark gekürzt und werde nun mit den höchsten Wachstumsraten in der EU belohnt. Finanzielle Solidität sei die Vorbedingung, damit Firmen wieder investieren und Bürger konsumieren.

Balten und Polen verfolgen die gängigen Argumentationen im Westen mit Argwohn, denn sie wollen dem Euro beitreten, fürchten nun aber, eine weiche Währung zu bekommen. Lettland wird im Januar 2014 Mitglied der Euro-Zone, Litauen will 2015 folgen, Polen nach der Parlamentswahl 2015 entscheiden, wie schnell ein Beitritt lohnt. Gewiss kann man nicht alle Erfahrungen der Mitteleuropäer auf den Süden übertragen. Ihre Erfahrungen können jedoch ein Gewinn für die Debatten um Euro und Wachstum sein.

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