Tacita Dean: Zündeln im Museum
Tacita Dean über ihren deutschen Weihnachtsbaum in Londons Tate Britain.
Seit 20 Jahren beauftragt die Tate Britain in London Künstler mit dem Weihnachtsbaum für die neoklassizistische Rotunde des Museums. Tacita Dean, die seit 1999 in Berlin lebt, ließ in diesem Jahr eine vier Meter hohe Tanne aufstellen, die nur mit Kerzen geschmückt ist. Sie werden bis zum 23. Dezember jeden Nachmittag um 16 Uhr entzündet und brennen bis zur Schließung herab. Die Künstlerin (geb. 1965) gilt als wichtigste Vertreterin ihrer Generation. Zuletzt erhielt sie den Kurt-Schwitters-Preis des Sprengel-Museums in Hannover. Sie arbeitet vornehmlich mit 16 mm-Film zu den Themen Zeit und Erinnerung.
Mrs. Dean, ist Weihnachten nicht eher ein Fest, dem sich Künstler entziehen, dem sie höchstens mit Ironie begegnen, um nicht in Kitschverdacht zu geraten?
Das stimmt, dadurch entsteht auch ein größerer Druck. Der Weihnachtsbaum wird wie ein Kunstwerk beurteilt. Tracy Emin hat eine Art Charity Box aufgebaut, mit der sie Geld für einen guten Zweck gesammelt hat. Matt Collishaw ließ einen enormen Tannenbaum errichten, um dessen Stamm auf einem Video lauter Ratten herumliefen. Und Mark Wallinger stellte eine große Espe hin, an deren Zweigen lauter Rosenkränze hingen. Jeder Künstler macht mit dem Baum das, was er auch sonst tut.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Ich dachte sofort an richtige Kerzen, wie ich es aus Deutschland kannte. Aber das wurde zum Problem, denn in England ist offenes Feuer in Institutionen verboten. Die größte Energie wurde darauf verwendet, die Erlaubnis zu bekommen. Dabei half, dass ich echte Bienenwachskerzen wollte, die ebenfalls in England nicht üblich sind. Sie halten länger, tropfen und rußen nicht. Wir haben schließlich einen Hersteller in Brighton gefunden, der sie uns handgefertigt hat.
Wo haben sie die altmodischen Halter entdeckt mit der hängenden Kugel als Gegengewicht? Auf einem der Berliner Trödelmarkt, wo Sie immer wieder für Ihre Arbeiten fündig wurden?
Bei meinen Recherchen stieß ich als erstes auf die Klammerhalter. Bei Manufactum wurde in diesem Jahr das alte Modell mit der Kugel wieder aufgelegt. Ich musste allerdings erst einige Exemplare zur Probe nach London schicken.
Wie war die Reaktion der Briten?
Ich habe meine Installation auf deutsch „Weihnachtsbaum“ genannt. Deshalb haben die Kritiker vor allem über den Unterschied zwischen dem deutschen und englischen Weihnachten geschrieben: dass in Deutschland viel minimalistischer gefeiert wird. Allerdings haben auch hier die Weihnachtsmärkte zugenommen. Als ich vor zehn Jahren nach Deutschland kam, war ich berührt, wie viel schöner, ja magischer Weihnachten hier war. Damals hatte uns der Künstler Lothar Baumgarten zum Stollenessen eingeladen. Bei ihm stand ein Tannenbaum nur mit Kerzen, mehr nicht. Der Weihnachtsbaum ist etwas Lebendes. Er atmet, die Kerzen brauchen Sauerstoff.
Diese Magie haben Sie mit ihrem Weihnachtsbaum zu importieren versucht?
In England kennen wir den Tannenbaum mit echten Kerzen gar nicht, die an Heiligabend entzündet werden. Für mich ist deshalb der performative Aspekt wichtig, ihr Niederbrennen. Viele Besucher kommen eigens, um dies zu erleben. Leider werden die Kerzen von einem Feuerwehrmann mit feuersicherem Anzug angesteckt. Wir haben ihn vergeblich gebeten, ein normales Hemd anzuziehen. Letztlich dürfen die Kerzen nur entzündet werden, weil es ein Kunstwerk ist. Was nicht stimmt: Es bleibt ein Weihnachtsbaum.
Das Gespräch führte Nicola Kuhn.
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