Fotografie: Zum 80. Geburtstag von Will McBride
Der Wahlberliner Will McBride feiert heute seinen 80. Geburtstag. Schon in den Fünfziger Jahren fand es der amerikanische Fotograf in der geteilten deutschen Hauptstadt "amerikanischer und aufregender als in Amerika".
Als Will McBride Mitte der fünfziger Jahre nach Berlin kam, war er begeistert von der Unruhe, die über der Frontstadt des Kalten Krieges lag. „Berlin zog uns alle an“, erinnerte er sich später. „Weil Berlin halbiert war und das Unvereinbare klar definiert.“ Der Amerikaner, 1931 in St. Louis geboren, hat den Militärdienst bei der Army in Würzburg hinter sich. Er schreibt sich an der Freien Universität als Student der Philologie ein, aber dann beginnt er zu fotografieren. „Hier ist es amerikanischer als in Amerika und aufregender“, heißt es in seiner Autobiografie „I, Will McBride“. „Hier sind die neuen Pioniere, die Bürger Berlins, die über dem Dröhnen von Düsenmotoren Lederstrumpfgeschichten schreien.“
Seine Fotos zeigen diese Pioniere. Ein Halbstarker im Jackett bei Aufbauarbeiten an der Gedächtniskirche. Jugendliche, die auf einer Vespa durch die Straßen knattern. Dampferausflüge, ein Hinterhofschwoof. In Amerika hat McBride Malerei studiert und Privatunterricht bei dem legendären Illustrator Norman Rockwell bekommen. Anfangs sollen seine Fotos noch Vorlagen für Gemälde sein, dann bekommt er Aufträge von „Paris Match“, „Life“ und „Stern“. 1961 zieht er nach München, in die Stadt der Illustrierten. Auf einem Berliner Abschiedsfoto hebt eine Hand eine zementverklebte Maurerkelle über einen Steinwall: der Mauerbau.
Berühmt geworden ist McBride mit seinen Reportagen für das Jugendmagazin „Twen“. Er fotografiert, ein klösterliches Idyll, die Internatsschüler von Salem, die Höhlen-Hippies im griechischen Matalla, saufende Korps-Studenten und eine entrückt-verzückte Romy Schneider. Die Trennung von Privatleben und Politik ist aufgehoben, McBride zeigt auch – ein Skandal – seine hochschwangere Frau und die Schmerzen und das Glück bei der Geburt ihres Sohns. Für einen Bildband trifft er Konrad Adenauer zum Interview. Auf die Frage „Wie soll ein junger Mensch in einer so rastlosen Welt Fundament bekommen?“, antwortet der greise Altkanzler: „Sie wissen, dass ich Katholik bin?“
McBride ist ein Sinnsucher. Die Mitglieder des Münchner „Hair“-Musicalensembles steckt er nackt in Pappkartons, im Geiste Hermann Hesses fliegt er für das Buch „Siddhartha“ nach Indien. Als „Twen“ 1971 eingestellt wird, stürzt der Fotograf in das schwarze Loch einer Lebenskrise. „Ich hab’ gedacht, wenn ich das Leben fotografiere, dann nehme ich am Leben teil. Aber das Gegenteil ist wahr. Ich stand immer hinter der Kamera, distanziert und bloß zuguckend.“ Für ein paar Jahre zieht er sich in die Toskana zurück, gibt Workshops.
McBrides radikales Aufklärungsbuch „Zeig Mal!“ wurde 1973 zum Justizfall. Er wollte „zeigen, dass Kinder eine eigene Sexualität haben“ und geriet unter Pädophilie-Verdacht. Seit 1999 lebt McBride wieder in Berlin. Er fotografiert kaum noch, malt, arbeitet an einem „No War!“-Denkmal. Ungefähr zwei Millionen Bilder hat er aufgenommen. In der Berliner Galerie Argus sind gerade Fotos zu sehen, die in den fünfziger Jahren in Italien entstanden. Euphorische Zeiten. „Die Straße war eine einzige Bühne. Die Filme liefen durch meine Leica wie der Wein durch meine Kehle.“ Heute wird der große Fotograf 80 Jahre alt. „Mein Italien“, Fotos von Will McBride in der Berliner Galerie Argus, Marienstr. 26, bis 26. März, Di–Sa 14–18 Uhr
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