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Marlen Haushofer, 11. April 1920 - 21. März 1970
© imago

"Die Wand" ist ihr berühmtester Roman: Zum 100. Geburtstag von Marlen Haushofer

Sichtbare seelische Zustände: Zum 100. Geburtstag der österreichischen Schriftstellerin Marlen Haushofer.

Dieser Roman wird im Moment viel zu Rate gezogen, um die katastrophisch anmutende, weltumspannende Corona-Pandemie verstehen, Vergleiche ziehen oder einfach nur Trost finden zu können: „Die Wand“ von Marlen Haushofer.

Der 1963 erstmals veröffentlichte Roman erzählt von einer Frau, die in einem Tal in Oberösterreich durch eine riesige gläserne Wand vom Rest der Welt abgeschnitten wird.

Hinter der Wand gibt es kein Leben mehr, nur die Natur existiert weiter, und die Frau richtet sich in einem Jagdhaus und später auf einer Alm zusammen mit einem Hund, einer Kuh, einem Kalb und ein paar Katzen ein. Sie lernt das Überleben und schreibt darüber einen Bericht.

„Die Wand“ ist der berühmteste Roman der 1920 im österreichischen Frauenstein geborenen Marlen Haushofer. Er wurde 2012 mit Martina Gedeck in der Hauptrolle verfilmt, Premiere hatte der Film auf der Berlinale. „Die Wand“ wurde in den achtziger Jahren von der Frauen- und der Friedensbewegung wiederentdeckt, und die Geschichte lässt sich tatsächlich vielfältig interpretieren.

"Obendrein in einer Welt, die den Frauen feindlich gegenüberstand

Der Roman trägt feministische, apokalyptische, utopische und zivilisationskritische Züge; als Dokument eines selbstbestimmten, freien, der Zeit enthobenen Lebens lässt er sich ebenfalls lesen: „Die Alm lag außerhalb der Zeit. Wenn ich später, während der Heuernte, aus der Unterwelt der feuchten Schlucht zurückkehrte, schien mir dies die Rückkehr in ein Land, das auf geheimnisvolle Weise mich von mir selbst erlöste.“

Haushofers Ich-Erzählerin hält sich zurück mit Reflexionen über ihr Leben, bevor die Wand gezogen wurde. Trotzdem finden sich in dem Roman dezente autobiografische Spuren.

Von einer „schweren Last“ ist zum Beispiel die Rede, die für sie die Familiengründung mit Mann und zwei Kindern bedeutete, „und von da an war sie immer eingezwängt in eine beklemmende Fülle von Pflichten und Sorgen. (...), obendrein in einer Welt, die den Frauen feindlich gegenüberstand und ihnen fremd und unheimlich war.“

Marlen Haushofer bekam schon in sehr jungen Jahren zwei Kinder von zwei verschiedenen Männern. Sie heiratete den zweiten im Alter von 21 Jahren, einen Zahnarzt. Mit diesem führte sie eine zunehmend unglückliche Beziehung, ohne von ihm loszukommen. Nach einer Scheidung gingen die beiden 1958 ein zweites Mal die Ehe ein.

Haushofer litt an Depressionen und anderen Erkrankungen, begann Ende der vierziger Jahre zu schreiben, entdeckte Simone de Beauvoirs Buch „Das andere Geschlecht“ für sich und wurde von Hans Weigel gefördert, dem Pendant zu Hans Werner Richter im damaligen österreichischen Kulturbetrieb. 1952 erschien ihr erstes Buch, die Erzählung „Das fünfte Jahr“, für das sie ein Jahr später gleich einen Preis bekommen sollte, den kleinen Österreichischen Staatspreis.

1970 starb Marlene Haushofer an Knochenkrebs

Es folgten in den mittleren fünfziger Jahren mit „Eine Handvoll Leben“ und „Die Tapetentür“ erste Romane und weitere Erzählungen, unter anderem „Wir töten Stella“ über eine junge Frau, die eine Affäre mit einem verheirateten Mann hat und dann Selbstmord begeht.

Obwohl Marlen Haushofer für diese ebenfalls mit Martina Gedeck 2017 verfilmte Erzählung 1963 den Schnitzler-Preis bekam und sie im selben Jahr mit „Die Wand“ für viel Aufsehen sorgte, blieb ihr die große Anerkennung bis zu ihrem Tod 1970 wegen Knochenkrebs versagt. Geld verdiente sie vor allem mit Kinderbüchern, und in Österreich und noch mehr in Deutschland stand ihre Literatur sehr lange stets im Schatten von Autorinnen wie Ingeborg Bachmann oder Friederike Mayröcker.

Zu Unrecht, wie auch der beeindruckende Kindheitsroman „Himmel, der nirgendwo endet“ und der kurz vor ihrem Tod veröffentlichte gleichermaßen düster-abgründige wie heitere Eheroman „Die Mansarde“ beweisen. Wie hat sie selbst in einem Gespräch „Die Wand“ interpretiert: "Aber, wissen Sie, jene Wand, die ich meine, ist eigentlich ein seelischer Zustand, der nach außen plötzlich sichtbar wird.“ Marlen Haushofers ganzes Werk legt davon beredt und literarisch versiert Zeugnis ab; man sollte ruhig mehr von ihr lesen als nur "Die Wand".

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