Filmkritik "Im August in Osage County": Zimmerschlacht in Oklahoma
Der Säufer-Vater tot, Mutter und Töchter garstig vereint: „Im August in Osage County“ ist Familienhorror, wie er im Gästebuche steht. Macht nichts - wenn Meryl Streep und Julia Roberts mitspielen, wird alles zum Fest.
Es ist heiß im August in den Prärien von Oklahoma, wo Osage County liegt, sehr heiß. Die Landschaft ist weit und leer, und doch verlässt man sie nicht so einfach, denn „die Great Plains sind ein Gemütszustand“. Das behauptet jedenfalls Barbara (Julia Roberts), die älteste von drei Schwestern, die sich nach dem Tod des Vaters im Elternhaus versammeln – und dort wird, wie bei derlei Familientreffen üblich, jede Menge schmutziger Wäsche gewaschen. Es ist dunkel in diesem Haus, die Jalousien sind ständig herabgezogen, und es herrscht eine stickige Schwüle.
Was für ein ungesundes Biotop für seine Bewohner! Der saufende Intellektuelle und seine vernachlässigte Frau haben es dort jahrzehntelang miteinander ausgehalten, mitsamt einer friedlichen Haushälterin indigener Herkunft. Das Haus ist der Hauptschauplatz des Films, nur wenige Szenen spielen draußen auf dem Grundstück: Schon das visuelle Konzept signalisiert, im Gegensatz zu den Weiten der Great Plains, klaustrophobische Enge, der man nicht entkommen kann.
„Im August in Osage County“ ist großes Schauspielerkino. Die Hauptperson in diesem Szenario ist die von Meryl Streep verkörperte depressive, tablettenabhängige Witwe Violet, um die siebzig und sehr vital in einem Dauerfrust, der längst in Boshaftigkeit umgeschlagen ist. Meryl Streep war für den Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert – und musste sich dann doch Cate Blanchett geschlagen geben, auch sie in der Rolle eines psychischen Wracks.
An der Arbeit, die Streep sichtbar auch hier wieder investiert, kann es nicht gelegen haben: Im Lauf ihrer langen Karriere hat sie wirklich schon alles gespielt – und auch diesmal schuftet sie, wirft sich mit Lust hinein in Aus- und Zusammenbrüche, tobt und tanzt, schreit und monologisiert, dominiert das durchweg aus wunderbaren Darstellern zusammengesetzte Ensemble.
Die Männer sind nur scheinbar wehrlos
Fast erholsam ist das da, wenn unvermutet leisere Töne angeschlagen werden – etwa von Chris Cooper, der Violets Schwager Charlie spielt. Der mag kein Geistesriese sein, aber ein warmherziger Ehemann und Vater, und er steht in äußerster Loyalität zu seinem Sohn „Little Charles“ (Benedict Cumberbatch), der – langsamer als andere und wehrloser – für die kaltherzige Violet ein ideales Opfer darstellt. Charlie verbirgt Mitgefühl und soziale Aufmerksamkeit unter einer Schicht Trägheit, die ihn ebenfalls wehrlos wirken lässt, aber das ist bloße Attitüde. Mit seinen blitzschnellen, wachen Bemerkungen und Beobachtungen konterkariert er Violets an Grausamkeit grenzende Tiraden und ist damit ein ebenbürtiger Gegner.
Zwischen diesen beiden starken Figuren können sich die von der immer wieder fantastischen Julia Roberts, Juliette Lewis und Julianne Nicholson dargestellten Töchter nur schwer behaupten; in einer schönen nächtlichen Szene beginnen sie gerade, sich beim Rotwein gegen die Mutter zu verbünden – da funkt sie schon wieder dazwischen als eine, die es immer verstanden hat, die Töchter gegeneinander auszuspielen. Wichtiger noch, was an den Rändern der Familie passiert: Da beobachtet die Haushälterin einen der mitangereisten Lebenspartner dabei, wie er Barbaras 14-jährige Tochter anbaggert, und macht dem Schrecken beherzt ein Ende. Da entpuppt sich die betuliche, übergewichtige Tante Mattie Fae als Ehebrecherin; und schließlich treten unschöne Wahrheiten über den soeben verstorbenen Gatten Violets zutage.
Filme über Familientreffen mag es jede Menge geben, mit immer wieder ähnlichen Konfliktherden: narzisstische Kränkungen, Eifersucht, Habgier, Vernachlässigung, Bevorzugung, lange zurückliegende Enttäuschungen und dergleichen mehr. Aber weil sie so nah dran sind am wirklichen Leben, kriegt man nie genug davon.
In elf Berliner Kinos; OV: Cinestar SonyCenter, OmU: Hackesche Höfe
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