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Kulissenzauber. Dirk Seesemann malt die neue Schabracke für den Zuschauerraum der Staatsoper.
© Thomas Bartilla/Staatsoper

Baustelle Staatsoper Unter den Linden: Zeit, Schweiß und Gold

Am 1. August wird die Bühne an die Künstler der Staatsoper übergeben. Besuch bei den letzten Arbeiten.

Kaum ist es verlegt, da hat das neue Parkett im Zuschauerraum auch schon wieder Löcher, überall. Durch sie wird die Luft der Klimaanlage einströmen und ganz sachte über die neuen Sitze in den Saal gelangen. Jeder Widerstand erhöht den Geräuschpegel – und ziehen soll es künftig ja auch nicht im Parkett der Staatsoper Unter den Linden. Ab Mittwoch wird das Gestühl eingebaut, 1356 Sessel sind es insgesamt, ergonomisch neu entworfen. Im Aussehen aber dürfen sie sich nicht unterscheiden von ihren Vorgängern, denn das Haus wird so neu erstehen, wie es der Architekt Richard Paulick nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg zu DDR-Zeiten wiederaufbaute.

Dabei mussten er und seine Arbeiter viel improvisieren, was die Restauratoren von heute vor neue Herausforderungen stellt. Und diejenigen, die dieser Wiederherstellungslogik nicht folgen wollen, zu Kopfschütteln und Taschenrechnerzücken animiert. Nehmen wir die Wandbespannungen, wie sie an den Umläufen im Rang zu sehen sind. „Das ist sicher ein Gemisch aus Vorkriegsgarnen gewesen“, meint Heinrich Hetzer von der Wiener Brokatmanufaktur. Eben alles, was verfügbar war. Heute es ist verblichen und muss auch wegen des Brandschutzes ersetzt werden. Hetzer bekam den Auftrag, den Stoff mit seinem stilisierten Artischockendekor – man sagt, er stammt von Paulicks Frau – mit feuerfesten Materialien nachzuweben. Wirken soll er wie Seide und seine Farbe möglichst behalten, egal, welches Licht auf die fertig bespannte Wand trifft.

Sechs Kilometer Vergoldungen wurden erneuert

Andächtig fahren Hetzers Finger über das Ergebnis, das sich noch unter einer Schutzabdeckung befindet, denn in den Treppenhäusern und Umgängen wird noch intensiv gearbeitet. Auch, weil ab dem 1. August die Bühne und der Zuschauerraum offiziell an die Technik und die Künstler der Staatsoper übergeben werden. Das Theater muss sein zwar historisch aussehendes, im Innern jedoch hochmodernes Haus Stück für Stück neu kennen- und im Alltag beherrschen lernen.

An Andreas Schudrowitz wird es nicht scheitern. Der Diplom-Restaurator hat mit bis zu 34 Mitarbeiterinnen am Stuckmarmor im Grünen Foyer und in den Schneckentreppenhäusern gearbeitet, dazu etwa 6 Kilometer Vergoldungen erneuert. Stuckmarmor entsteht aus mit Pigmenten gefärbtem Gips in 8 bis 10 Arbeitsgängen. Sie machen diesen einstmals günstigen Ersatz für echten Stein heute viel teurer. Etwa 800 Euro kostet ein Quadratmeter, schätzt Schudrowitz. „Das wurde nicht ideal gemacht in den 50er Jahren“, erklärt er den Aufwand. Zum Teil würde der Stuckmarmor dann später noch überstrichen, weil er mitunter arg ramponiert aussah.

Das Bühnenportal ist höher

Wenn man alles freilegt und katalogisiert, ausbaut und später wieder zusammensetzt, dann wird deutlich, dass ein Theaterbau selbst aus Illusionen besteht. Sie wiederauferstehen zu lassen, kostet viel Zeit, Schweiß und Geld. Auch, wenn kein echtes Gold für die Vergoldungen gebraucht wird, sondern, historisch korrekt, mit Schlagmetall gearbeitet wird. Diese Bronzierung muss aber noch versiegelt werden, damit sie später nicht dunkel anläuft.

Weil die Decke des Zuschauerraums zugunsten einer längeren Nachhallzeit angehoben wurde, ist jetzt auch das Bühnenportal höher. Damit der Zuschauer nicht auf die bloße Wand schaut, malt Dirk Seesemann im sogenannten Unterirdischen Bauwerk an einer Schabracke. Auf Samt bringt er mit langen Pinseln den Faltenwurf eines Vorhangs auf. Früher war er Theatermaler an der Staatsoper, jetzt schafft er etwas Bleibendes für den neuen alten Saal. Seine Schabracke wird den optischen Übergang zwischen der Decke zu dem Theatervorhang schaffen.

Wer in diesem Terrain gräbt, bekommt Schwierigkeiten

Über Seesemann nimmt der TÜV gerade die Krananlage ab, mit der die Kulissenteile künftig hier unten vormontiert werden. In ganzer Größe funktioniert es trotz neuem Gebäudeteil nicht, erklärt Claus Grasmeder, der für die Staatsoper die Sanierung begleitet. Der massive Betonsockel unter dem Opernhaus war ein nicht zu überwindendes Hindernis. Quer über die Halle verläuft ein großer Kanal, der halb Mitte entwässert. Allein dieser Blick macht deutlich: Wer in diesem Terrain gräbt, bekommt Schwierigkeiten. Und muss auch Abstriche machen, wenn es um Funktionalität geht.

Kristina Keinemann, Projektleiterin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung trägt heute mal einen rosa Bauhelm. Was das ganze Vorhaben kostet? Das wisse man erst nach Jahren, lächelt sie.

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