Berliner Orchesterszene: Zeit für etwas Neues beim DSO
Alexander Steinbeis gibt seinen Posten als Orchesterdirektor des Deutschen Symphonie Orchesters Berlin auf - nach 13 erfolgreichen Jahren.
Zwölf Jahre lang hat er das Deutsche Symphonie Orchester durch bewegtes Fahrwasser gesteuert – jetzt will Alexander Steinbeis zu neuen Ufern aufbrechen. Der Orchesterdirektor gibt seine Position zum Sommer 2020 auf, wie er bereits jetzt bekannt gab, um den Musikerinnen und Musikern genug Zeit zu geben, einen Nachfolger zu finden. Dass gute Leute in der internationalen Klassikszene nicht kurzfristig zu bekommen sind, weiß Alexander Steinbeis aus eigener Erfahrung. Die schwierige, im Streit zu Ende gegangene Chefdirigentenzeit von Ingo Metzmacher hat er in Berlin mit dem DSO durchgestanden, und die glückliche, aber viel zu kurze Phase mit dem Klangmagier Tugan Sokhiev genossen, bevor der zum Bolschoi Theater abgeworben wurde. Zwei Mal musste Steinbeis die Suche nach einem neuen künstlerischen Leiter organisieren.
Mit Robin Ticcati, der im Herbst 2017 sein Amt antrat, scheint nun endlich ein Künstler gefunden, der dem DSO länger erhalten bleibt. Mindestens bis 2022 wird der junge britische Maestro in Berlin sein. Darum kann es sich Alexander Steinbeis bei aller Verbundenheit zu seinem DSO nun guten Gewissens gestatten, den nächsten Karriereschritt zu wagen. Wohin es geht, verrät er noch nicht, in der klassischen Musikszene aber will er auf jeden Fall weitermachen.
Das Jobangebot erreichte ihn im Urwald
Viel hat er bewegen können, seit der studierte Wirtschaftswissenschaftler aus Süddeutschland 2007 zum jüngsten Intendanten der Hauptstadt wurde. Der Weg dahin war abenteuerlich: Alexander Steinbeis befand sich nämlich gerade auf einer Rucksacktour durch den thailändischen Urwald, als ihn die Anfrage des Dirigenten Ingo Metzmacher erreichte, ob er Konzertdramaturg beim DSO werden wolle. Er sagt zu und hat dann als Erstes ein Open-Air-Spektakel auf der WM-Fanmeile zu organisieren: Unter dem bekennenden Fußballfan Metzmacher spielt das DSO vor Zehntausenden am Brandenburger Tor.
Nach dem Sommermärchen geht dann alles ganz schnell: Orchestermanager Andreas Richter verlässt das DSO, Chefdirigent und Orchestervorstand wünschen sich Alexander Steinbeis als dessen Nachfolger. Er ist 32 Jahre alt, hat aber schon einige Berufspraxis. Sechs Jahre lang war er beim Boston Symphony Orchestra stellvertretender Leiter des künstlerischen Betriebsbüros: ein Knochenjob mit lediglich zwei Urlaubswochen pro Jahr. Dagegen findet er in Berlin traumhafte Arbeitsbedingungen vor. Und nutzt sie, um seine Ideen zu verwirklichen. Zum Beispiel den Symphonic Mob. 2014 fand das Event erstmals statt, bei dem Laienmusiker unter der Leitung eines Profidirigenten proben und das gemeinsam Erarbeitete dann in der Mall of Berlin aufführen. Das niedrigschwellige Angebot wurde schnell zum Exportschlager, neun deutsche Städte haben mittlerweile Symphonic Mobs, in Berlin findet der nächste am 21. September statt.
Steinbeis hat den Symphonic Mob erfunden
Schon zehn Jahre gibt es die Notturno-Konzerte, bei denen Kammermusikformationen des DSO zu später Stunde in Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz auftreten. Das Jubiläumskonzert der immer schnell ausverkauften Reihe steht am 11. September an. Alexander Steinbeis hat Konzerte im Industrieambiente des Kraftwerks Berlin organisiert, im Tacheles, im Heimathafen und in der Villa Elisabeth an der Invalidenstraße. Mit Ingo Metzmacher hatte er ganz zu Anfang seiner Berliner Zeit schon die Casual Concerts entwickelt, zu der die Musikerinnen und Musiker wie auch das Publikum in Freizeitkleidung in die Philharmonie kommen sollen, um die Atmosphäre möglichst entspannt zu halten.
Viele Tourneen hat Alexander Steinbeis außerdem fürs DSO organisiert, im Herbst geht es zum vieren Mal in seiner Amtszeit nach Asien, vom Festspielhaus Baden-Baden wurde das DSO mehrfach für Opernproduktionen engagiert, Gastspiele führten zu Top-Festivals wie den Londoner Proms, nach Edinburgh wie auch nach Salzburg.
Der mittlerweile 45-jährige Steinbeis ist kein Selbstdarsteller, sondern ein klassischer Ermöglicher, der die Bühne gerne seinen Künstlern überlässt. Als überzeugter Fahrradfahrer in Berlin, weiß er, wie man Hindernissen ausweicht und auch aggressiven Mitmenschen. Dass er außerdem Humor hat, verwundert nicht: Seine Mutter entstammt dem Adelsgeschlecht derer von Bülow und ist in direkter Linie mit Loriot verwandt.