Georges Aperghis beim MaerzMusik-Festival: Zauberer auf Instrumenten
Gesten, Schritte, Wassertropfen: Das Werk des griechisch-französischen Komponisten Georges Aperghis ist einer der Schwerpunkt des diesjährigen MaerzMusik-Festivals. Am Dienstag wurde unter anderem sein neuestes Stück "Uhrwerk" aufgeführt.
Der Musikfilm „Énumérations“ entführt den Zuschauer in die siebziger Jahre, als die Arbeit des griechischen Komponisten Georges Aperghis mit Anwohnern, Musikern und Schauspielern in einer Pariser Vorstadt beginnt. Dort, in der Banlieue, wo gesellschaftlicher Abstieg herrscht und Pauperisierung der Einwanderer aus den Kolonien, siedelt Aperghis seine Truppe „Atelier Théatre et Musique“ an, und sie kreieren zusammen über 20 Stücke. Eines davon wird unter der Regie von Hugo Santiano 1990 zum Film.
Die MaerzMusik zeigt ihn als Auftakt eines Konzerts mit Werken von Aperghis im Haus der Festspiele. Die politische Absicht, ein Lebensthema des Komponisten, das er auch im Gespräch mit Festivalchef Berno Odo Polzer ausführt, wird evident. Soziales Abseits, ein Abbruchhaus, verklebte Fenster, alter Garten, dunkle Szenerie der Armut: Wesentlich ist, dass in ihr kein realer Alltag illustriert wird. Vielmehr entsteht aus Gesten, Schritten, Wassertropfen, Papiergeräuschen – Bücher nicht nur zum Blättern, sondern sogar zum Fressen – eine Kunstwelt eigener Art. Eine Tonkunst, die der Avantgarde der Zeit verhaftet ist und deren Experimentiergeist den Komponisten bis heute festhält. Für seine Bekanntmachung in Berlin hat sich 2013 die Staatsoper mit den „Récitations“, inszeniert von Elisabeth Stöppler, eingesetzt.
Wer assoziiert schon eine Schule der Geläufigkeit, wenn er das Ungetüm einer Kontrabass-Klarinette oder einen Kontrabass auf der Bühne vor sich sieht! Aperghis gesteht, „nach der Diskontinuität, dem Zickzack“ zu suchen. Auf dem schnarrenden Blasinstrument lässt Ernesto Molinari sprunghaft aus großer Tiefe bei weitem Ambitus auch höchste Töne erstaunlich leicht anspringen, während Uli Fussenegger streichend und zupfend demonstriert, dass sein Bass durchaus zu spritzigem „Parlando“ taugt.
Die Interpreten des Abends sind Zauberer auf ihren Instrumenten, der Schlagzeuger Christian Dierstein auch – „schlag!“ – als Vokalakrobat „um die Leiche herum“. Und nicht zuletzt Geneviève Strosser, eine königliche Erscheinung an der Viola. Sie spielt das jüngste Stück, „Uhrwerk“ von 2014, und das Spezifische der Solobratsche als Streichinstrument wird hier auf beinahe Bachische Weise, angereichert mit erfüllten Pausen und Glissandi, ausgebreitet. Als wagemutige Experten sind die Musiker entschlossen, mit Aperghis an Grenzen der Virtuosität zu rütteln. Alles ist Musik auf Entdeckungsreise.
Sybill Mahlke