Weihnachtskonzert des Rundfunkchors: Zart verzweigt
Dem Rundfunkchor Berliner unter Gijs Leenaars gelingt es, eine Stimmung von vorweihnachtlichem Innehalten im Berliner Dom zu entfalten.
Der Berliner Dom ist nicht gerade ein bevorzugter Ort für die stille Einkehr. Zu laut das wilhelminische Gepränge, zu viel Hall unter der Kuppel und dazu ein unerklärlicher, nie abreißender Luftzug quer durchs Kirchenschiff. Man drückt sich in die Bank, schlägt den Kragen hoch und senkt besser den Blick. Dem Rundfunkchor Berlin unter seinem Chefdirigenten Gijs Leenaars gelingt das Kunststück, hier dennoch eine Stimmung von vorweihnachtlichem Innehalten zu entfalten. Das pausenlose Programm verzweigt sich immer wieder zart um „Wie schön leuchtet der Morgenstern“, diesen bildstarken, vor Liebe trunkenen Hymnus auf Jesus, der als mythischer Himmelskörper das Anbrechen einer neuen Zeit verheißt. Vor allem aber: Leenaars und seine Sängerinnen und Sänger knacken mit sanfter Beharrlichkeit die vertrackte Akustik des Berliner Doms. Ob Männerchor a cappella, von den Balkonen der Basilica San Marco inspirierte Doppelchörigkeit oder weit im Raum verteilter vielstimmiger Kanon – nie schlägt die tückische Hallwelle rückwärts, nie erdrücken sich die Klänge gegenseitig. Das allein ist eine Freude.
In unwiderstehliche Harmonien kleidet der bekehrte Kirchenspötter Francis Poulenc seine „Laudes de Saint Antoine de Padoue“, raffiniert und schlicht zugleich. Daan Manneke, der niederländische Komponist, hat seine „Canti ornati“ Gijs Leenaars gewidmet, überaus geistreiche und dabei sinnlich fassliche Klangexkursionen, die von der venezianischen Schule des 16. Jahrhunderts inspiriert sind. Sie kulminieren in einem klingenden Raum, über dem, genau, „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ schwebt. Einzig der Einsatz der Orgel wirkt nicht zwingend, aber das muss man einem Tonsetzer, der zugleich Organist ist, wohl nachsehen können. Dann leuchtet der Morgenstern im alten Satz von Michael Praetorius auf, wie über dem schimmernden Meer.
Schließlich erreicht der Rundfunkchor Berlin mit Frank Martins berührender „Messe“ lichte Höhen der Innigkeit. Beim zugegebenen „Oh, du fröhliche“ dürfen in ihren Bänken auch die Zuhörer auf Leenaars vornehmen Einsatz hin einstimmen. Sie sind inzwischen so gelockert und ein kleines Stück weit auch entrückt, dass man ihnen ausnahmsweise sogar noch das abschließende „Stille Nacht“ hätte anvertrauen können.