zum Hauptinhalt
Im Job sind die Frauen längst erfolgreich, glaubt unsere Autorin. Aber die Liebe muss zurückstecken.
© dapd

Wozu die Quote?: Zahlenspiele festigen nur die herrschenden Verhältnisse

Die Frauenquote ist wieder nur so ein Zahlenspiel, mit dem ein gesellschaftliches Problem in Null-Komma-Nichts gelöst werden soll. Die Rechnung wird nicht aufgehen - und stattdessen sogar ein unerwünschtes Ergebnis liefern.

Das Bild der Frau ist ein Schubladenschrank. Er wird, allen Feng-Shui-Ratgebern zum Trotz, selten entrümpelt. Denn modisch zu bleiben heißt bekanntlich, Klassiker mit aktuellem Design aufzumotzen. Der letzte Schrei ist auch schon wieder ein alter Hut: Der Schrei nach der Quote. Aber der Schrank bleibt so stabil wie die Frisur mit „Drei Wetter Taft“.

Identität abseits herrschender Bilder zu formen ist anstrengend, und anstrengend ist nicht gut, denn eigentlich gilt Jane Fondas Weisheit „no pain, no gain“ ja nur dort, wo sie seinerzeit zur Erlangung perfekter Maße erfunden wurde: in den Fitness-Studios. Auch das aktuelle Anspruchsdesign findet sein Maß. Ob 90-60-90 oder – jung gebliebene – 57, 180, 85; ob 37,5-Stundenwoche oder 14 Monate Elterngeld, ob 100 Prozent Recht auf einen Kindergartenplatz oder 30 Prozent auf eine Führungsposition: Zahlenvorgaben sollen sie richten, die Unberechenbarkeit der Lebensgleichung, die da lautet: Wollen plus Können minus „shit happens“ mal der Summe aller Zufälle.

Wo Bedürfnisse zu Zahlen gerinnen, werden Geschlechterfloskeln zur Pflicht. Frauen stehen im Berufsleben wahlweise ihren Mann oder sind gleich die besseren Männer, weswegen Starksein erste Frauenpflicht ist. Der traurige Tiefpunkt ist die oft zitierte These, nach der Gleichberechtigung dann erreicht sei, wenn die minder qualifizierte Kandidatin dem besseren männlichen Bewerber die Position wegschnappt. Von da ist es nur noch ein kurzer Weg zu den johlenden Damenkränzchen, die den Strippern der Chippendales Euro-Scheine in die knappen Strings stecken, während diese ihnen zu den Klängen von „You Can Leave Your Hat On“ die Lenden entgegenwuchten. „Männer sind so“, heißt es nicht allein auf dem Titel der „FHM“. Frauen auch, schallt es aus dem Geschlechterdschungel zurück.

Während die Frauen nun also Prozent für Prozent ihren professionellen Anspruch auf die Jungswelt einlösen, in hässliche Kostüme schlüpfen, gemusterte Seidentücher als Krawattenvariante um die Hälse knoten, auf „Stern“-Titeln muskelprotzend die Arme verschränken und lustige hübsche Mädchen als junge Dinger abqualifizieren, haben es die Männer geschafft, ihr System auch noch in Gestalt des anderen Geschlechts zu stabilisieren.

Umgekehrt gibt es die freundliche Übernahme weiblicher Selbstbilder in die männliche Ich-Konstruktion: das Primat einer attraktiven Optik, die religiös anmutende Überhöhung der Elternschaft, die vorauseilende Kapitulation vor dem eigenen Machtstreben, die ersehnte Selbstaufhebung im Partner. Mit alldem wird kein Fortschritt errungen. Es werden lediglich die zu Selbstbildern geronnenen Missverständnisse überkreuz getauscht, die Schubladen neu beschriftet.

"Männer sind einfach gestrickt", heißt es. Die Strickanleitung würden wir gerne mal sehen!

Da wird weiblicherseits unverdrossen der Traum der großen romantischen Liebe geträumt, beschworen, bezahlt. Zur Karriereplanung gesellt sich die Irrationalität einer Sehnsucht, die dem mystisch aufgeladenen Einzelfall huldigt, dem emotionalen Big Bang. „Gib mir morgen den Job als Deutsche-Bank-Chefin“, sagte eine beruflich anderweitig erfolgreiche Freundin neulich zu mir, „und ich mach’s. Ich versuch’s jedenfalls. Aber gib mir einen Mann, der mich nicht liebt, und ich drehe durch.“ Auch so sind die Schubladen weiblichen Fortschrittes sortiert: im Dienst erfolgreich quotiert, in der Liebe erfolgreich zerlegt. Doch Identität kennt keinen Achtstundentag.

„Meine Frau“, sagt ein privat anderweitig erfolgreicher Freund neulich zu mir, „hat mit 43 immer noch eine Model-Figur, sie wird rasch einen anderen finden. Männer sind da simpel gestrickt“ – „Nicht alle“, wende ich ein. „Nicht alle“, stimmt er zu. Wer hat denn die Männer gestrickt, die „FHM“? Dabei stehen die Strickanleitungen doch in der „Brigitte“. Sind Männer so, weil sie den Schattenriss der weiblichen Projektionen mit Leib und Leben füllen? Und im Gegenzug malen sie unser Selbstbild nach ihren Zahlen von der Quote über die Körbchengröße bis zur Bestellnummer im entsprechenden Onlineservice?

Nicht alle? Nicht alle! Das Ende der Zahlen, der Floskeln, markiert den Beginn des Einzelschicksals, auf dem seit Jahren, meist unter Voranstellung des Wortes „bedauerlich“, als irrelevantem Auslaufmodell herumgetrampelt wird. Zu Unrecht und zu aller Schaden verstecken wir die persönliche biografische Verpflichtung hinter dem Vorhang der Verallgemeinerung. Frauen, die sich in sichtbare Führungspositionen gewuchtet haben, sollen den Frauen an und für sich als Vorbild dienen. Warum nur? Das Fahnden nach und Aufspüren von sogenannten weiblichen Tugenden bei Kanzlerinnen, Ministerinnen, Intendantinnen ist nicht mehr als das Schrauben am Schubladenschrank. Immer relativiert der Einzelfall den Trend, die Merkel den Schröder, der Aufbruch die Quote.

Ich bin also gegen die Quote? Bin ich nicht. Ich habe da gerade einfach mal keine Meinung. Ich habe ein Leben zu leben, eine Firma zu leiten, einen Mann zu lieben, Worte zu finden, ein Kind zu ehren, Locken zu wickeln, Daumen zu drehen. Ich habe eine Verfassung jenseits des Schrankes zu suchen, jeden Morgen eine neue. Das ist mein Anspruch. Anstrengend? Unbedingt.

Die Autorin ist Inhaberin der Künstler- und Veranstaltungsagentur Barbarella. Zuletzt erschien in der Serie ein Text von Bischof Markus Dröge.

Zur Startseite