zum Hauptinhalt
Kunsthalle
© ddp

Kunsthalle: Wolkenkuckucksheim

Die Fassade steht: Berlins Temporäre Kunsthalle hat auf dem Schloßplatz Position bezogen.

Wie ein Werber sei er vorgegangen, sagt Gerwald Rockenschaub zur Präsentation seiner All-over-Fassadenarbeit. Werbung braucht der White Cube Berlin in der Tat, weil er sich neben der Ruine des Palastes der Republik und allen übrigenGebäuden behaupten muss, die rund um den Schlossplatz stehen. Die Maße der Kunstkiste sind, verglichen etwa mit dem Volumen des Staatsratsgebäudes, bescheiden. So muss nun die erste künstlerische Außenarbeit leisten, was der Architekt des White Cube Berlin, Adolf Krischanitz, mit seiner sachlichen Box auf keinen Fall wollte: nach Publikum schreien.

Gestern nun war der große Tag: Rockenschaubs imposantes Bild wurde mit einer Feier der Öffentlichkeit vorgestellt. In den vergangenen zwei Wochen waren Fassadenkletterer auf dem Gebäude unterwegs, bis die Farbe trocken und der Auftrag fertiggestellt war – zwei weiße, eckige Wolken auf blauem Grund. Tatsächlich weckt das Motiv, obwohl es abstrakt bleibt und geometrisch ganz dem Stil von Rockenschaub verpflichtet ist, vielfältige Assoziationen: Die Wolke, die sich als echtes Himmelsphänomen ständig bewegt und verändert, symbolisiert das Temporäre dieser Kunstkiste: Im Juni erst war Spatenstich, Ende Oktober dann findet die offizielle Eröffnung mit einer Ausstellung von Candice Breitz statt. Und 2010 ist schon wieder Schluss, weil der White Cube Berlin den Bauarbeiten für das Stadtschloss weichen muss.

Zugleich aber lassen sich die gepixelten Wolken als Verweis auf jenen Entwurf interpretieren, der ebenfalls im Rennen um den zentralen Ausstellungsort gewesen ist und den Wettbewerb verlor: die „Wolke“ von Graft. Weshalb sonst hat Rockenschaub sein Konzept auch mit einem Satz des Philosophen Ludwig Wittgenstein erklärt, nach dem sich eine Wolke nicht bauen lasse?

So legt sich nun der kühne, gescheiterte Entwurf der Berliner Architekten und Designer als Malerei über die kühle, sachliche Box des Architekturprofessors. Beide zusammen wecken Aufmerksamkeit für eine Halle, die für zwei Jahre den international gefragten Künstlern Berlins als adäquate Plattform in der eigenen Stadt dienen soll. Die Kiste lockt, wenn man vom Brandenburger Tor her kommt: Sie schiebt sich leuchtend blau und mächtig in den Vordergrund und ist doch ein Scheinriese. Steht man erst einmal vor ihr, scheint sie zu schrumpfen.

Der Eindruck mag zum Teil dem Chaos am Schlossplatz mit seinen pittoresken Ruinen und Metallzäunen geschuldet sein. Ein bisschen aber ist Gerwald Rockenschaub wohl auch den Mechanismen jener Werbung ausgeliefert, die er selbst als Instrument bemüht hat: Seine plakative Arbeit ist ein Coup, ihre Wirkung verpufft jedoch nach kurzer Zeit. So mag man sich getrost fragen, ob das Fassaden-Debüt für den White Cube Berlin nicht doch hätte hintergründiger ausfallen müssen. Denn nun konkurriert die Kunstkiste mit riesigen Plakaten in der Nachbarschaft und hat es außerdem schwer, sich gegen die historische Architektur am Platz zu behaupten. Als Statement aber ist Rockenschaubs Arbeit perfekt, weil sie zwei ehemals unversöhnliche Ideen zusammenbringt und damit auch andeutet, dass nun alle gemeinsam daran arbeiten müssen, die zeitgenössische Kunst dort zu etablieren, wo sie gerade angekommen ist: in Berlins Mitte.

Die Outdoor-Lounge des künftigen Cafés im White Cube Berlin ist heute von 12-18 Uhr geöffnet.

Zur Startseite