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Rumtreiber. Iain De Caestecker als Bones, Schrottsammler in Lost River.
© Tiberius-Film

Ryan Gosling und sein Regiedebüt "Lost River": Willkommen in der Gespensterstadt

Ryan Gosling, als Schauspieler ein Garant für Coolness und Stilsicherheit, hat seinen ersten Film als Regisseur gedreht. Dem Mystery-Märchen "Lost River" gelingen Momente höchster Ästhetisierung, aber der Plot wirkt so verworren wie versatzstückhaft.

Als Schauspieler ist Ryan Gosling ein Spezialist für Wortkargheit und Coolness. In „Drive“, seinem bislang besten Film, gleitet er im getunten Auto durch ein nächtlich erleuchtetes, unwirklich flimmerndes L.A., unerreichbar für alle Verfolger. Der erste Film, den Gosling als Regisseur inszeniert hat, spielt nun in einer in Schönheit sterbenden Stadt, deren verlassene Häuser langsam von der Natur zurückerobert werden. „Lost River“ beginnt mit Bildern malerisch verrottender Ruinen, die man am liebsten anhalten und ausdrucken möchte. Von Sträuchern zugewucherte Einfamilienhäuser mit Holzfassaden in allen Farbschattierungen der Verwesung. Zerbröselnde Fabrikhallen, die wie frisch ausgegrabene altägyptische Königspaläste aussehen. Ein mit prachtvollstem Stuck gefülltes Theater als Bühne des Untergangs.

Melodram und Märchen

Die Stadt Lost River, aufgenommen zum größten Teil in Vororten von Detroit, ist der ideale Schauplatz für eine Geschichte, die Melodram und Märchen mischt. Die verarmte, aber tapfere Mutter Billy (Christina Hendricks, die Chefsekretärin aus „Mad Men“) will unbedingt ihr Haus behalten, dessen Kredit sie nicht mehr bedienen kann. Dafür lässt sie sich sogar von einem schmierigen Geschäftsmann (Ben Mendelsohn) für Splatter-Sex-Auftritte in einem Nachtclub engagieren, in dem viel Kunstblut fließt. Die Göttin dieses Perversitätenkabinetts heißt „Miss Cat“ und wird von Goslings Lebensgefährtin Eva Mendes gespielt.

Billys Sohn Bones (Iain De Caestecker) versucht, die Haushaltskasse aufzufüllen, indem er Elektroschrott aus den Industrieruinen verkauft. Dabei gerät er mit einem lokalen Unterweltsboss aneinander, der wie ein Elvis-Imitator ausschaut und sich im offenen Triumphwagen durch den Ort fahren lässt. Bones verliebt sich in das Nachbarsmädchen Rat, das ihm von dem Fluch erzählt, der auf Lost River lastet, seitdem ein Teil der Geisterstadt geflutet wurde, um ein Trinkwasserreservoir zu schaffen. Bones, Billy, Cat, Rat – schon die Namen der Figuren signalisieren, dass die Story archaische Wucht mit der Lust an popkulturellen Referenzen verbinden möchte.

Tauchgänge in die versunkene Stadt

Ryan Gosling gelingen Momente höchster Stilisierung, eine Nachtfahrt vorbei an verwischten Lichtern und unterlegt mit elektronischer Musik wie in „Drive“ oder traumhaft-albtraumhafte Szenen in der Rotlichthöhle/hölle des Orgien-Mysterien-Sextheaters, wie sie auch von David Lynch stammen könnten. Tauchgänge in die versunkene Stadt führen in eine schauderhaft-schöne Gegenwelt, die den Algen gehört. Doch der Plot wirkt so verworren wie versatzstückhaft, und die Dialoge klingen oft hölzern. Filme mit Gosling wie „Drive“ oder „Blue Valentine“ sehen nicht nur gut aus, sie haben auch etwas zu erzählen. Von „Lost River“ lässt sich das nicht sagen.

In 10 Berliner Kinos; OV im Cinestar Sony-Center

Christian Schröder

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