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Kultur: Wie Pablo zu Picasso wurde Der Aufstieg des berühmtesten Künstlers

des 20. Jahrhunderts zur Marke – aus der Sicht des „Yello“-Erfinders Bernd Kreutz

Tun wir mal so, als ob Kunst eine ganz gewöhnliche Ware wäre. Betrachten wir Künstler, Kunst und Kunstmarkt nicht mit den Augen der Hochkultur. Schauen wir sie uns aus der Perspektive eines ambitionierten Unternehmers an, der mit den Möglichkeiten vorhandener Produktionsanlagen und Fähigkeiten – aber ohne Marketingetat – eine Weltmarke etablieren will. Und schon sind wir bei Pablo Picasso, der vor ziemlich genau 100 Jahren dies ins Werk zu setzen begann.

Marketing wird heute an hunderten von Universitäten gelehrt, für Picasso war Marketing ein Fremdwort. Aber das machte nichts. Das Marketinggenie Picasso hat intuitiv all das gemacht, was nach der Marketinglehre gemacht werden muss, um Erfolg zu haben. Er hat nicht an ihre Kategorien gedacht, aber in ihnen gehandelt. Wie sehr, zeigt ein Rückblick in 20 Kurzkapiteln – überschrieben im Fachvokabular der Marketingexperten.

Market Analysis. Die Fotografie gibt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Anstoß für einen Aufbruch in der Kunst. In Malerei und Bildhauerei verliert die naturgetreue Wiedergabe ihren handwerklichen Reiz, die Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten wird zum eigentlichen Antrieb künstlerischen Schaffens. Künstler wie Manet, Pissarro, Monet, Degas, Renoir und Sisley wagen als erste den Bruch mit der akademischen Tradition und werden mit ihrem impressionistischen Malstil zu Vorkämpfern der Moderne. Sie leiten eine Revolution des Sehens ein, aber auch des künstlerischen Selbstverständnisses. Ihr Marktanteil ist zur Jahrhundertwende zwar verschwindend gering, aber es beginnen sich bereits günstige Perspektiven abzuzeichnen.

In den europäischen Metropolen entsteht eine Gruppe finanzstarker Sammler mit der Bereitschaft, in neue Kunst zu investieren. Sie gehören meist einem selbstbewussten Großbürgertum an, das mit fortschreitender Industrialisierung gesellschaftlichen Einfluss und Macht gewinnt und den konservativen Käufermarkt aus Adel, Staat und Kirche aufbricht. Die Nachfrage nach hochrangigen Werken wächst schneller als das Angebot. Dies hat Auswirkungen auf Herstellung und Vertrieb von Kunst. Auftragsproduktion und Direktvertrieb der Künstler gehen langsam über in autonome künstlerische Produktion und deren Absatzmittlung über einen sich professionalisierenden Kunsthandel.

Product Development. Picasso geht durch die Schule der Tradition nach dem Motto: „Man muss das Alte kennen, um das Neue gut zu machen.“ Bereits die Anfänge des 1881 in Málaga geborenen Künstlers sind vielversprechend. Sein Vater, Maler und Zeichenlehrer an der Kunstgewerbeschule in Málaga, unterrichtet ihn früh in den konventionellen Techniken seines Metiers. Pablo vollendet bereits als Achtjähriger sein erstes Gemälde. Mit 14 Jahren kommt er an die Kunstakademie von Barcelona, überspringt mehrere Klassen, stellt erste Werke aus, gewinnt Preise, bezieht 1899 in Barcelona sein erstes Atelier. Seinen Lebensunterhalt verdient er zunächst als Illustrator für Zeitschriften.

Picassos spanische Jahre sind eine Zeit der Orientierung. Er kann wie sein Vater ein Lehramt übernehmen. Oder als akademischer Maler ein gutes Auskommen haben. Oder sich auf die Bildhauerei spezialisieren, die in Spanien als Königin der Künste gilt. Seine Entscheidung, sich als freier Maler einen Namen zu machen, ist wohl überlegt. „Die Weiden der Akademie sind abgegrast“, sagt er zu seinem Jugendfreund Manuel Pallarés, „der Stier wird nur auf neuen Weiden stark“. Die tun sich vor allem in der Malerei auf. Die Impressionisten haben das Signal für weitere Entdeckungen gegeben. Picasso will mit seiner Malerei zur Vorhut des Trecks gehören, zur Avantgarde. Wie brillant seine Voraussetzungen für einen Vorstoß ins Neuland sind, belegen seine frühen Arbeiten. Das Porträt „Barfüßiges Mädchen“ (1895) malt Picasso als 14Jähriger nach einem lebenden Modell. In dem ein Jahr später entstandenen Gemälde „Die Erstkommunion“ (1896) verblüfft das Raffinement seines Bildaufbaus. Das allegorische Gemälde „Wissenschaft und Nächstenliebe“ (1897) zeigt, dass der erst 16 Jahre alte Künstler den akademischen Stil bereits meisterhaft beherrscht.

Benchmarking. An den Werken der Traditionalisten muss sich Picasso nicht mehr messen. Es sind die Meister der frühen Moderne, von denen er sich herausgefordert fühlt. In einer Art künstlerischem Rollenspiel testet er unterschiedliche Stile aus, er orientiert sich dabei an Werken von Camille Pissarro, Henri de Toulouse-Lautrec, Edvard Munch, Edgar Degas und Paul Cézanne. Aber je perfekter er sie imitiert, umso mehr reift in ihm eine Erkenntnis: mit „me-too-Produkten“ wird man nicht zur Marke.

Brand Name Development. Wie bewusst Picasso seinen Marktauftritt vorbereitet, zeigt die Geschichte seiner Signatur. 1894 steht Picasso, gerade 13 Jahre alt, noch ganz unter dem künstlerischen Einfluss seines Vaters José Ruiz Blasco und signiert seine Bilder und Briefe mit dessen Familiennamen: „P. Ruiz“. Als er 1896 „Die Erstkommunion“ vollendet, dehnt der junge Künstler sich gleichsam aus und fügt seiner bisherigen Signatur den Familiennamen seiner Mutter Maria Picasso y Lopez hinzu: „P. Ruiz Picasso“. Er unterstreicht die Signatur und setzt sie mit zwei Strichen in Parenthese, als wollte er sagen: Dies ist noch nicht meine eigentliche Kunst. Um 1900 hat Picasso sich künstlerisch endgültig von seinem Vater gelöst. In Barcelona wird er zum Anführer einer jungen Künstlergruppe und signiert selbstbewusst mit: „P. R. Picasso“. Im Oktober 1900 bricht er zum ersten Mal nach Paris auf.

In Paris misst sich Picasso mit den anderen Wettbewerbern auf dem Markt der Moderne und erkennt die überragende Qualität seiner Produkte. 1901 positioniert er sich: Indem er die Initialen streicht und nur noch mit „-Picasso-„ signiert, verdichtet er seinen Namen zu einem Begriff. 1902 wird Picasso zu Picasso. Mit den Gemälden seiner „Blauen Periode“ überrascht er den Markt zum ersten Mal mit einem eigenen, unverwechselbaren Stil. Er signiert von nun an ohne Parenthese-Striche und demonstriert damit, dass er mit seinem Produkt identisch ist.

Network Marketing. Während seiner ersten Pariser Jahre lebt Picasso in bitterer Armut. Sein Kapital ist das Talent, die richtigen Freundschaften zu schließen. Er schafft sich ein effektives Netzwerk, indem er Sammler, Kunsthändler, Galeristen, Kollegen und Kritiker zu seinen Verbündeten macht. Als Gegenleistung für ihre Loyalität porträtiert er sie.

Product Innovation. Über konsequent praktizierte Produktdifferenzierung gelingt Picasso 1907 eine epochale Innovation: Mit dem Gemälde „Les Demoiselles d’Avignon“ schafft er ein revolutionäres Kunstwerk. Mit souveräner Selbstverständlichkeit eignet er sich fremde und bereits etablierte Produktideen an. Als er an „Les Demoiselles d’Avignon“ arbeitet, lässt er sich formal von Plastiken primitiver iberischer und afrikanischer Kunst inspirieren; von der Cézanne-Werkreihe der „Badenden“ übernimmt er den Bildaufbau. Das Ergebnis aber ist ein echter Picasso. Marketingspezialisten werden dieses Vorgehen Jahrzehnte später in der so genannten MAYA-Formel formulieren: most advanced, yet acceptable. „Les Demoiselles d’Avignon“ werden zum Programmbild einer neuen Formensprache. Das Bild bricht mit allen Regeln, die seit der Renaissance als verbindlich galten. Die Figuren setzen sich aus geometrischen Flächen zusammen, die Zentralperspektive und die Illusion der Raumtiefe sind aufgegeben, die Farbe hat keinen Stimmungswert mehr.

Category Positioning. Noch wird das revolutionäre Gemälde von fast allen Kritikern und Kollegen als künstlerischer Irrtum angeprangert. Aber Picasso lässt sich nicht beirren. Er weiß, dass er eine Innovation geschaffen hat, mit der er die Zukunft des Marktes entscheidend prägen kann. Um Markt- und Meinungsführer in diesem Produktbereich zu werden, beginnt er 1907, das Potenzial des neuen Stils auszuschöpfen und zur eigenständigen Kategorie zu formen. Er überträgt den neuen Stil in alle wichtigen Gemäldegattungen: Landschaft, Akt, Stillleben und Porträt.

Distribution Strategy. Picasso weiß, dass der Stil der „Demoiselles d’Avignon“ eine neue Dimension in der Kunst erschließen wird. Gleichzeitig ist ihm bewusst, dass er die Innovation nicht im Alleingang durchsetzen kann. Seine Lösung des Problems ist ein unternehmerisches Glanzstück.

Phase 1: Picasso sucht sich einen Verbündeten. Er entscheidet sich für den Maler Georges Braque (1882-1963), der – ohne von Picassos Produktinnovation zu wissen – zur selben Zeit zu ähnlichen stilistischen Entdeckungen gelangt ist. Ab 1908 treffen sich Picasso und Braque regelmäßig, besprechen ihre Ergebnisse und lernen voneinander.

Phase 2: Um ihren Marktauftritt zu optimieren, entscheiden Picasso und Braque sich für einen gemeinsamen Vertriebsweg. Beide machen einen Exklusivvertrag mit dem jungen, noch nicht ins Interessengeflecht des Marktes verstrickten Händler Daniel-Henry Kahnweiler. Picasso hat den Deutschen bereits 1907 kennen und im Laufe einer engen Geschäftsverbindung schätzen gelernt.

Phase 3: Die beiden Maler kommen mit ihrem Händler überein, die Avantgarde-Werke vorerst nur im Ausland auszustellen. Der Coup gelingt: Während ihre Namen in Paris noch berüchtigt sind, werden Picasso und Braque in europäischen und amerikanischen Kunstmetropolen schnell berühmt.

Phase 4: Um sich auf dem Markt etablieren zu können, braucht die stilistische Innovation einen Namen. Ein Kritiker schreibt von „kubistischen Elementen“. Picassos Verbündete tragen den neuen Begriff in die Öffentlichkeit: Kubismus.

Pricing Strategy. Kahnweiler, der bald auch andere Kubisten vertreten wird, hält Picasso für die größte Begabung unter den Mitbewerbern. Als Händler definiert er den Wert der Arbeiten über die Kaufsumme. Schon zu Beginn setzt er für Picasso-Gemälde einen viermal höheren Preis als für vergleichbare Braque-Formate fest. Damit positioniert er den Spanier an der Spitze der Avantgarde.

Da Picasso und Kahnweiler wissen, dass sie mit kubistischen Bildern zunächst keine angemessenen Preise erzielen können, beschließen sie eine rigorose Angebotsverknappung. Kahnweiler verkauft Arbeiten – wenn überhaupt – nur an renommierte Sammler, die das Werk nicht als Spekulationsobjekt sehen. Auch Picasso hält einen großen Teil der Werke vorerst unter Verschluss. Diese Strategie treibt die Preise allmählich in die Höhe, und die kubistische Kunst kommt in den gewinnträchtigen Ruf der Exklusivität.

Line Extension. Picasso hat mit seinen Gemälden die Spitzenposition in der Moderne erobert. Konsequent nutzt er diesen Ruf, um neue Produktbereiche zu erschließen. Seine Skulpturen, seine Bühnenbilder und seine Keramik sind genauso unverwechselbar „Picasso“ wie seine Papierarbeiten. Jeder neue Produktbereich, den er auf den Markt bringt, profitiert von dem Erfolg der bereits etablierten und erreicht sofort deren Preisebene.

Change Management. Für Picassos Erfolg ist auch seine Fähigkeit verantwortlich, sich permanent weiterzuentwickeln. Bis an sein Lebensende bleibt er seinem Anspruch treu, den Markt mit Innovationen zu überraschen. Damit treibt er seine eigene Produktion wie auch die gesamte Avantgarde voran.

Public Relations. Picasso pflegt und fördert sein Image als solitäres Jahrhundertgenie. Aber er zieht sich nicht ins Elitäre zurück. Als PR-Experte von hohen Graden nutzt er seinen Ruhm für politisches und gesellschaftliches Engagement. Das wiederum mehrt seinen Ruhm. Er lässt sich freilich nie von der Öffentlichkeit vereinnahmen, sondern inszeniert sich in der Öffentlichkeit stets nach eigenen Vorstellungen.

Der Künstler Picasso ist permanent auf Innovation aus, der Bürger Picasso hat indes als bekennender Kommunist einen festen Standpunkt. Das verschafft ihm auch bei politischen Gegnern Respekt. In den Jahren des Spanischen Bürgerkriegs agitiert Picasso vehement gegen den Terror der Falangisten. Am 26. April 1937 zerstören deutsche Bomber die baskische Stadt Guernica. Picasso reagiert darauf mit „Guernica“, der erschütterndsten Kriegsanklage der Kunstgeschichte. Im Sommer 1937 zeigt er das Gemälde im spanischen Pavillon der Pariser Weltausstellung. Der kulturelle und politische Aufruhr, der durch das Bild ausgelöst wird, trägt den Namen „Picasso“ in alle Welt. Die Preise für seine Werke steigen sprunghaft an.

Mergers & Acquisitions. Das Unternehmen „Picasso“ potenziert seine Energien durch sieben Fusionen. Die wechselnden Mitgesellschafter sind Fernande Olivier, Marcelle Humbert, Olga Koklowa, Marie-Thérèse Walter, Dora Maar, Françoise Gilot und Jacqueline Roque. Jede neue Fusion beschert dem Unternehmen weltweite Publicity. Und jede der zeitweiligen Lebensgefährtinnen gibt dem Künstler neue Anregungen. So lassen sich allen Verbindungen entsprechende Werkgruppen zuordnen.

Wichtige Impulse erhält Picasso durch Innovationen der Konkurrenz. Regelmäßig kauft er herausragende Produkte anderer Wettbewerber und setzt sich mit ihnen kreativ auseinander. Besonders fruchtbar ist seine Beschäftigung mit seinem Hauptkonkurrenten Henri Matisse (1869-1954).

Brand / Brand Icons. Mit „Guernica“ ist Picasso endgültig zur Marke geworden. 1976 weist Sotheby’s ein nachweislich echtes Picasso-Gemälde zurück, weil die Markensignatur „Picasso“ fehlt. Zu den Motiven, die für Picasso eine lebenslange Bedeutung haben, gehören der Stier und die Taube. In seinem ersten Ölgemälde stellt er, damals acht Jahre alt, einen Stierkampf dar. In dieser Zeit zeichnet er auch Serien von Tauben. 1942 verdichtet er das Thema „Stier“ zu einer genialen Assemblage: Aus einem Fahrradsattel und einer alten Lenkstange schafft er den berühmten „Tierschädel“. 19 Jahre später skizziert er „Die Taube“ (1961) in sein Arbeitsbuch. Beide Arbeiten sind formal fast aufs Rudimentäre reduziert; die lange intensive Beschäftigung mit den Motiven verleiht diesen Werken jedoch eine Ausdruckskraft, die bis heute bewegt. Die Picasso-Taube gilt auf allen Kontinenten als Friedenssymbol. Der „Stierschädel“ ist für Künstler in aller Welt eine Art Wappenzeichen innovativer und couragierter Schaffenskraft.

Brand Image Controlling. Als seine letzte Ehefrau Jacqueline ihm vorwirft, er achte zu wenig auf seine Kleidung, erwidert Picasso: „Ich bin sehr eitel, aber nur im höheren Sinn.“ In seinem „höheren Sinn“ hat er die Medien und die Nachwelt. Er lässt sich grundsätzlich nur von den besten Fotografen ablichten, die überdies für bedeutende Medien arbeiten. Und er inszeniert die jeweiligen Motive selbst. Veröffentlicht werden zu Lebzeiten fast ausschließlich Aufnahmen, die er vorher abgesegnet hat. Zu den berühmten Lichtbildnern, die Picasso fotografieren dürfen, gehören Cecil Beaton, Brassaï, Robert Capa, David Douglas Duncan, Yousuf Karsh, Arnold Newman, Irving Penn, Man Ray.

Merchandising. Im Kraftfeld der Marke „Picasso“ entsteht ein Merchandising-Markt, der Millionen Dollar bewegt. Die Palette der Produkte deckt alle Altersgruppen ab. Das Angebot reicht von Postkarten, Postern, Kalendern und Büchern bis hin zu Kaffeetassen, T-Shirts und Krawatten. Die Zahl der mit dieser Wertschöpfungskette verbundenen Arbeitsplätze wird auf viele hundert geschätzt.

Brand Influence. Die Einflüsse der Marke „Picasso“ sind kaum zu überblicken. Zu den berühmten Künstlern, die Picasso in Worten und Werken als Lehrmeister huldigen, gehören unter anderem Roy Lichtenstein, Frank Stella, Claes Oldenburg, Sandro Chia, Jasper Johns und Willem de Kooning. Auch werden ganze Architektengenerationen von der Formensprache des Kubismus beeinflusst. So sind die spektakulären Bauten eines Frank O. Gehry ohne Picasso undenkbar.

Brand Extension. Nach dem Tod des Künstlers erweist sich seine Tochter Paloma als besonders umsichtig und schöpferisch. Unter dem Markennamen „Paloma Picasso“ entwirft sie Schmuck für Tiffany, eine Produktserie für den Kosmetikkonzern L’Oréal sowie Design-Vorlagen für den Keramikhersteller Villeroy & Boch. Um die Milleniumwende bringt Citroën das Modell „Citroën Xsara Picasso“ auf den Markt.

Brand Awareness. Als Picasso 1913 vier Werke in der berühmten New Yorker „Armory Show“ ausstellt, fragt die New York Times: „Who is Picasso?“ 1993 initiiert die spanische Regierung eine Umfrage zum 20. Todestag des Künstlers. Das Ergebnis überrascht sogar Optimisten: Für 84 Prozent aller Befragten ist „Picasso“ ein Begriff. Den Namen des in jener Zeit amtierenden US-Präsidenten Bill Clinton kennen nur 71 Prozent. Market Performance. In der Marktanalyse zur Kunst des 20. Jahrhunderts steht die Marke „Picasso“ für kontinuierliches Anwachsen des Preisvolumens. Der Vergleich mit der Entwicklung des Dow Jones Index zeigt, dass das Unternehmen „Picasso“ einen höheren prozentualen Wertzuwachs hat als die Blue Chip Class der US-Industrie. Vom impressionistisch-fauvistischen Frühwerk bis zur formenreichen Altersproduktion: Der internationale Kunstmarkt hat sämtliche Picasso-Werkphasen assimiliert.

Die Gewinngeschichte beginnt mit 50 französischen Franc: So viel kostet Anfang des 20. Jahrhunderts ein Frühwerk von Picasso. Bis in die 50er bewegt sich die Indexkurve stetig aufwärts. 1958 macht dann Picassos erster Marktrekord Schlagzeilen. Sein Frühwerk „Die schöne Holländerin“ (1905) erzielt den höchsten Auktionspreis, der bis dahin für ein Gemälde eines lebenden Malers bezahlt wurde: 661 100 Schweizer Franken. Neun Jahre später ruft Sotheby’s einen weiteren „Auktionsweltrekord für ein Kunstwerk des 20. Jahrhunderts“ aus: Die New Yorker Bodley Gallery erwirbt das Picasso-Gemälde „Mutter und Kind am Strand“ (1902) für 190 000 Pfund (damals etwa 2,1 Millionen Mark). 1973 zahlt die Washingtoner Nationalgalerie den Spitzenpreis von 1,1 Millionen Dollar für das kubistische Werk „Weiblicher Akt“ (1910). Kahnweiler hat für dieses Gemälde anno 1910 120 Franc bezahlt.

Nach dem Tod des Künstlers schießt die Indexkurve weiter steil in die Höhe. 1998, zur Zeit einer ausgedehnten Kunstmarktflaute, erzielt das Picasso-Gemälde „Der Traum“ (1932) einen neuen Rekordpreis: 48,4 Millionen Dollar. In dem Picasso-Jahrhundert sind seine Werke kaufkraftbereinigt um mehr als das 300 000fache in ihrem Wert gestiegen.

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