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Update

Theater, Kino, Konzertsäle: Wie die Kulturszene auf den November-Lockdown reagiert

Protest allerorten. Ab 2. November wird es auch in Berlin wieder drastische Einschränkungen im Kulturbereich geben.

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Die Galerien gelten als Einzelhandelsgeschäfte, sie bleiben geöffnet. Aber wie ist es mit den Museen? Am Donnerstag herrschte zunächst Verwirrung, weil sie im Lockdown-Katalog des Bundes nicht eigens genannt sind. Aber dann folgte die Nachricht, dass die Kulturminister sich in einer Konferenzschalte auch auf die einmonatige Schließung der Kunsttempel ung geeinigt hätten. Der Deutsche Museumsbund forderte für die Häuser einen finanziellen Ausgleich. Es könne nicht sein, dass nach Corona auch noch eine Sparwelle auf die Museen zukomme, so Präsident Eckart Köhne.
Immerhin, Bibliotheken, Archive und Musikschulen bleiben weiterhin offen, auch das steht jetzt fest. Sind weitere Ausnahmen möglich, gerade in Berlin? Schon vor der Pressekonferenz des Senats am Donnerstagabend kann man davon ausgehen, dass die gerade erst beschlossene Berliner Veranstaltungs-Regelung von bis zu 300 Teilnehmern in geschlossenen Räumen und Ausnahmen mit bis zu 800 Besuchern Makulatur ist. Und Kultursenator Klaus Lederer bestätigt das auch, von wegen des nicht zu unterschätzenden Werts von bundeseinheitlichen Regelungen.

Also wieder gecancelte Premieren und Eröffnungen, geschlossene Vorhänge, in Berlin und ganz Deutschland. Gleichzeitig gibt Lederer zu, dass er manche Punkte "in ihrer Rigorosität nicht richtig finde". Vier Wochen absolut auf jede kulturelle Teilhabe zu verzichten, das sei schon krass. Die Zusage: die Fortsetzung der existierenden Hilfeprogramme, neue schnelle Soforthilfen, auch für Solo-Selbstständige und Freiberufler.

Erste Reaktioen: Proteste allerorten. Der Lockdown schieße weit übers Ziel hinaus, so Gerald Mertens von der Deutschen Orchestervereinigung. Die Beschäftigten seien „verärgert und extrem frustriert“. Echte Wertschätzung sehe anders aus.

Willkür, Kahlschlag, Symbolpolitik

Christine Berg vom Hauptverband Deutscher Filmtheater ist überzeugt, dass die Kinos nur mit Soforthilfen die „erneute Radikalkur“ durchstehen. Thomas Nägele, Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, weist darauf hin, dass die Verleiher besonders hart getroffen seien. Und das, obwohl sie „echte Branchensolidarität“ bewiesen und vielversprechende Starts für den Winter angekündigt hätten.

Von Produzentenseite meldet sich Martin Moszkowicz zu Wort. „Man muss im Hinterkopf behalten, dass wir dabei sind, einen großen, wichtigen Teil unserer Kultur zu beschädigen oder zu verlieren,“ sagte der Constantin-Chef. Die Krimikomödie „Kaiserschmarrndrama“ bringt Constantin nun später heraus, aber möglichst noch vor Jahresende. Auch der Berlinale-Gewinnerfilm „Doch das Böse gibt es nicht“ wird wieder verschoben.

Der Bundesverband Schauspiel spricht von einer unsinnigen Maßnahme und befürchtet einen kulturellen Kahlschlag. Wie die anderen Kulturverbände verweist er darauf, wie vorbildlich der Corona-Spielbetrieb organisiert wurde.

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„Bitte schließen Sie nicht die Zuschauerräume in Theatern, Opern und Konzertsälen“, hatte Ulrich Khuon, Präsident des Deutschen Bühnenvereins, gefleht – vergeblich. Barbara Mundel (Münchner Kammerspiele) spricht von kompletter Willkür, Marc-Oliver Hendriks (Staatstheater Stuttgart) von Symbolpolitik. Immerhin, der Probenbetrieb kann weiter laufen, auch Streaming-Auftritte sind gestattet.

Neben den freien Theatern, die ihre Einnahmen erneut zu 100 Prozent verlieren, sind auch die Kleinkunstbühnen frustriert, wie ein schneller Rundruf in Berlin ergibt.

So konnte der Wintergarten Berlin seit dem Neustart gerade mal fünf Wochen spielen, „mit immerhin wieder 1000 Besuchern pro Woche“, sagt Chef Georg Strecker. „Da ist eine erneute Schließung besonders bitter.“ Die Privattheater seien gewiss keine Pandemie-Treiber, dennoch zeigt er auch Verständnis für die Entscheidung. Wichtig sei zu wissen, ob die Schließung auf den November beschränkt bleibt. „Sonst ist der Weihnachtsvorverkauf zerstört.“

Nicht das Weihnachtsgeschäft auch noch gefährden

Im Mehringhoftheater, wo Komiker Fil ab dem 5. November für ausverkaufte Plätze gesorgt hätte, sieht Chef Christian Luschtinetz das genauso. Dort soll ab 15. Dezember der „Kabarettistische Jahresrückblick“ steigen. Jetzt werden nur Vorbestellungen angenommen, keine Tickets verkauft.

„Im November und Dezember verdienen wir normalerweise das Geld fürs ganze Jahr.“ Die auch vom Berliner Senat für kleinere Firmen angekündigte Krisenkompensation von 75 Prozent des Vorjahres-Monatsumsatzes wäre hier sehr willkommen.

Das BKA-Theater, im März ein Vorreiter unter den Kultur-Streamern, will ein neues Onlineangebot auflegen. „Einnahmemäßig können wir den Winter nun wohl abschreiben“, sagt Chef Uwe Berger.

Und die Bar jeder Vernunft, das Tipi am Kanzleramt? „Wir haben 70000 Euro in Hygienekonzept, Belüftung und Ionisierungsanlage investiert“, erinnert Chef Holger Klotzbach. Es bedürfe dringend eines neuen Konzepts für öffentliche Orte, in Form einer Zertifizierung für Hygienekonzepte oder eines Ampelsystems.

Es geht ums Überleben, auch für die Clubs der Stadt.
Es geht ums Überleben, auch für die Clubs der Stadt.
© Paul Zinken, dpa

Grütters will Einnahmeausfälle kompensieren

Der Ernst der Lage ist auch der Kulturstaatsministerin klar. Die Künstler hätten sich in der Krise ungeheuer fair verhalten, obwohl es an ihren Lebensnerv geht, so Monika Grütters auf Anfage des Tagesspiegels. Sie brauchen jetzt Hilfen wie in alle anderen Branchen auch.

1,5 Millionen Beschäftigte, ein 100-Milliarden- Euro-Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt: „Wir müssen über andere Hilfsstrukturen als bisher reden. Einnahme- und Verdienstausfälle müssen kompensiert werden. Auch muss der Lebensentwurf der Soloselbstständigen endlich ernst genommen werden“. Auf deren Probleme „müssen wir ganz anders reagieren als bisher.“ Und 2021? Das Medienboard Berlin-Brandenburg hat seine Berlinale-Party bereits abgesagt.

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