IS sprengt Baalschamin-Tempel in Palmyra: Wie der "Islamische Staat" seine Geschichte wegbombt
Palmyra ist zum Symbol des Elends in Syrien geworden. Der IS foltert, mordet und zerstört - zuletzt den antiken Baal-Shamin-Tempel. Die Terrormiliz vernichtet damit auch ihre eigene Geschichte.
Der IS setzt sein furchtbares Zerstörungswerk fort. Die Terroristen haben am Sonntag den Tempel des Baal Shamin von Palmyra gesprengt. In der vergangenen Woche fiel ihnen der frühere Chefarchäologe Palmyras, Khaled Asaad, zum Opfer. Der 82-Jährige wurde öffentlich geköpft, seine Leiche aufgehängt. Kurz darauf planierten sie bei Homs das christliche Kloster Mar Elian. Im März hatten sie das antike Nimrud dem Erdboden gleichgemacht. Ninive erging es nicht besser.
So zieht sich die Spur der Gewalt durch Syrien und Irak. Palmyra hatten IS-Truppen im Mai eingenommen. Die Wüstenstadt mit ihren einzigartigen antiken Ruinen gehört zum Unesco-Welterbe. Sie beeindruckt durch ihre Größe und Schönheit. Viele unterschiedliche Kulturen, Religionen und weltliche Mächte sind hier präsent, aus islamischer und präislamischer Zeit. Die Tempel gehören nach der Wahnsinnsideologie des „Islamischen Staats“ zum „Götzendienst“, sie müssen daher zerstört werden. Bewegliche Kulturgüter, Statuen und Reliefs, hat die syrische Antikenverwaltung noch vor dem Ansturm des IS in Sicherheit gebracht, allerdings nicht die 15 Tonnen schwere, drei Meter hohe, 2000 Jahre alte Skulptur eines Löwen. Das Tierbild wurde Anfang Juli zerstört.
Sicherheit, das ist ein relativer Begriff. Bisher hat nichts den IS gestoppt. Die syrische Armee des Diktators Assad ist dafür zu schwach. Und die zumeist von den Amerikanern geflogenen Luftangriffe zeigen keine entscheidende Wirkung.
Bisher hatte der IS die Ruinen Palmyras verschont
Der zerstörte Tempel wurde zu Lebzeiten von Jesus Christus errichtet und im 2. Jahrhundert unter dem römischen Kaiser Hadrian ausgebaut. Baal Shamin war einer der Hauptgötter von Palmyra. Ein Himmelsgott mit den Attributen Blitz und Adler, eine östliche Variante des griechischen Zeus. Früheste Quellen, in denen Baal-Shamin erwähnt wird, gehen zurück ins zweite Jahrtausend vor Christus.
Der Baal-Shamin-Tempel war eines der kleineren Bauwerke in Palmyra. Bisher hatte der IS die Ruinen verschont. Oder sich aufgespart, um eine neue Phase von Provokationen und Eskalationen der Gewalt zu beginnen. Sie soll das syrische Volk einschüchtern, unbegrenzte Macht demonstrieren und vor allem die zivilisierte Welt schockieren.
Palmyra gehörte zum Römischen Reich und damit auch zur europäischen Kultur, die ohnehin stark verbunden ist mit den Kulturen Mesopotamiens und der syrisch-irakischen Wüste. Von dort ist vieles – wie auch aus Ägypten – über das antike Griechenland nach Europa gekommen. Es ist die gleiche Route, die heute die Menschen nehmen, wenn sie aus Syrien fliehen vor dem Bürgerkrieg mit seinen vielen Fronten zwischen der Assad-Armee, den Rebellen und dem IS.
Palmyra: ein Symbol des Elends in Syrien
Palmyra ist zu einem Symbol des Elends in Syrien geworden. Hier werden Menschen entführt, gefoltert und bestialisch ermordet vor der majestätischen Kulisse der antiken Stadt, die nun selbst bedroht ist. Zum Ensemble Palmyras gehören auch Bauten aus frühislamischer Zeit. Geschichte, hier kann man es mit Händen greifen, besteht aus Schichten.
Und jetzt muss man befürchten, dass die Zerstörungen weitergehen und die IS-Terroristen auch noch andere antike Bauwerke mit Sprengstoff traktieren, um die Geschichte wegzubomben. Es ist ihre eigene.
Im mächtigen Bel-Tempel, der noch steht, wurden in islamischer Zeit Mauern mit römischen Säulen befestigt. Der Sandstein hat wunderbare Reliefs und Verzierungen – Palmen und Weintrauben, aus Stein. Palmyra – arabisch Tadmur – ist eine Oase. Der Bel-Tempel ist neben der großen Marktstraße das Hauptgebäude in Palmyra. Bel oder Baal, das war der Fruchtbarkeits- und Wettergott, er entschied über das Schicksal der Menschen. Im Christentum wurde er dämonisiert, in Bertolt Brechts frühem Drama „Baal“ ist er eine monströse Künstlerfigur. Die Araber benutzten den Bel-Tempel als Moschee. Später zogen Beduinen ein.
Des gibt kaum journalistische Quellen
Es ist wichtig, an diese Zusammenhänger zu erinnern, der IS will sie auslöschen. Als sei alles, was vor dem Propheten war, minderwertiger Dreck. Ein Problem bei Nachrichten aus Syrien ist: Es gibt kaum journalistische Quellen. Die Informationen kommen über Maamoun Abdulkarim, den Direktor der syrischen Museums- und Antikenverwaltung in Damaskus, und die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Von der syrischen Hauptstadt bis Palmyra sind es rund 220 Kilometer. Im Nationalmuseum von Damaskus gab es am Sonntag eine Gedenkveranstaltung für den ermordeten Altertumswissenschaftler Khaled Asaad, den man den „Hüter Palmyras“ nannte. Das Museum besitzt eine reiche Sammlung von zumeist Grabbildern aus der Stadt in der Wüste.
Rüdiger Schaper