Kollwitz-Preis an Bernard Frize: Wenn es bunte Bindfäden regnet
Der Maler Bernard Frize erhält den Käthe-Kollwitz-Preis – sein sinnliches Werk ist in der Akademie der Künste zu sehen.
Den Preis haben ihm drei Künstlerinnen verliehen, deren Werk keine innige Verbindung zur Malerei erkennen lässt. Am ehesten noch das von Karin Sander, die mit Ayse Erkmen und Mona Hatoum in der Jury für den mit 12 000 Euro dotierten Käthe-Kollwitz-Preis 2015 saß. Ihre Entscheidung für Bernard Frize beruht nicht auf emotionaler Nähe, sondern ist aus der Distanz gefällt. Ein Abstand, der den sachlichen Blick auf die Qualitäten eines fremden Werks erlaubt.
Ihre Analyse teilte Sander am Abend der Preisvergabe in der Akademie der Künste am Hanseatenweg mit allen Gästen. Dass sie beeindruckt seien von der Synchronität jener bis zu sechs Pinsel, die auf manchen Bildern ihre vertrackten Spuren parallel ziehen. Dass sich oft mehr als zwei Hände an der Entstehung von Frizes Labyrinthen aus Farbstreifen oder -wolken beteiligten, was eine exakte Choreografie in seinem Atelier voraussetze. Das gilt auch für Gemälde wie „Uma“ von 2015, das aussieht, als würde es farbige Bindfäden aus einer schwarzen Wolke regnen: Hier sind die Farben so luzide aufgetragen, dass keine Korrektur mehr nach dem ersten Malen möglich ist. Die Transparenz beruht auf der Zugabe von Harz, die die Pigmente stark verdünnt, die Oberflächen der Bilder jedoch auch hart und abweisend macht.
Scheinbar einfach, tatsächlich hoch kompliziert. Bernard Frize lockt einen in die Irre, zumal er meist in Serien arbeitet und es so aussieht, als ließen sich die Effekte beliebig oft wiederholen. Dabei basieren sie auf einem System von Regeln, die der Maler sich seit Jahrzehnten auferlegt und ständig verfeinert. In der Akademie, wo der in Berlin und Paris lebende Maler für seine Auszeichnung mit einer Ausstellung gewürdigt wird, ist das gut nachvollziehbar.
Die Schau gliedert sich in drei Abschnitte, die alle mit Berlin zu tun haben. Ein frühes, farblich wie formal diffuses Format, das sich mit etwas Fantasie als Wald deuten ließe, aber den Titel „Berlin“ trägt, markiert den Beginn von Frizes Auseinandersetzung mit der Stadt Anfang der 80er Jahre, als er erstmals mit einem DAAD-Stipendium hierher kam. Es folgt die „Suite au rouleau“ nach seiner Rückkehr in den 90ern: Große Formate mit senkrechten, waagerechten und diagonalen Streifen, die das strengste Kapitel darstellen. Den Schlussakkord setzen Arbeiten aus jüngerer Zeit, in denen der rechte Winkel in einer Serie von kleinen, namenlosen Blättern noch einmal eine Rolle spielt, weil sich die Farben mit jedem Richtungswechsel der Linie verändern. Die allerjüngsten Arbeiten brechen mit dieser kompositorischen Strenge, lassen die Farben nach einem gewissen Zufallsprinzip fließen und scheinen dem 1949 Geborenen völlig neue Freiheiten zu geben.
Was noch auffällt, ist das Tageslicht im kleinen Ausstellungssaal der Akademie. Frize hat Wände und Decken entfernen lassen, so lassen sich die Feinheiten noch besser erkennen. Das ist die nächste überraschende Facette im Werk: Es ist trotz aller Intellektualität überaus sinnlich.
Wie das zusammengeht, bleibt Frizes Geheimnis. Auch wenn der Künstler alles tut, um die Malerei zu entmythologisieren. Ein Gemälde sei nicht mehr als ein Objekt an der Wand, das erst vom Betrachter aktiviert werde – dieser Satz gehört zu den oft kolportierten Statements. Tatsächlich macht Frize die Maltechnik und den Prozess des Farbauftrags zum Inhalt seiner Arbeit: Man sieht, was er tut, die Illusion eines malerischen Mehrwerts liegt dem Künstler nicht. Christiane Meixner
Ausstellung bis 25. 10., Akademie der Künste am Hanseatenweg, Di–So 11–19 Uhr
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