Choreografin Lia Rodrigues im HAU 2: Wenn der Amazonas kämpft
Nackte Körper und viel Wasser: Choreografin Lia Rodrigues präsentiert den letzten Teil ihrer Performance-Trilogie "Pindorama" im HAU 2.
Trockenen Fußes kommt keiner aus der Performance „Pindorama“ im HAU 2 heraus. Vom Wasser handelt ja auch die Trilogie der Choreografin Lia Rodrigues, die mit „Pindorama“ vollendet wird. Aber es wird hier auch die Frage nach dem Kollektiv verhandelt – und wie schon in früheren Aufführungen konfrontiert die Brasilianerin das Publikum mit den nackten Realitäten des Körpers.
„Pindorama“ ist der ursprüngliche Name Brasiliens in der Sprache der Ureinwohner. Rodrigues will die Erinnerung an die koloniale Vergangenheit des Landes wachhalten. Sie ist zudem für ihr soziales Engagement bekannt: Schon vor Jahren hat sie das Probenzentrum ihrer Kompanie in die Maré, eine der Favelas von Rio, verlegt. Ihr Kulturzentrum versteht sie als offenen Ort, hier können die Favela-Bewohner kostenlos Tanzkurse besuchen oder politische Meetings abhalten.
In „Pindorama“ wird über die ganze Breite der Bühne eine durchsichtige Plastikplane ausgebreitet. Die Zuschauer sitzen oder stehen am Rande dieser Bahn, die sich bald in den reißenden Amazonas verwandelt. Zuerst steigt eine Frau in diesen Fluss. Durch das Schlagen der Plane werden kleine, dann größere Wellen erzeugt, die die Frau hin- und herwerfen. Später sieht man fünf Tänzer mit den elementaren Naturkräften kämpfen – und auch miteinander. Die Plastikplane schließt sich um sie, die Körper erinnern an verpacktes Fleisch im Supermarkt.
Am Ende platzieren die elf Performer durchsichtige Ballons, die mit Wasser gefüllt sind, auf der Bühne. Wie Silikonkissen sehen sie aus. Die Tänzer schieben und rollen sich über den Boden und bringen so die Kissen zum Platzen. Sie bewegen sich instinktiv, fast schon animalisch. Langsam sickert das Wasser über die Bühne. Die Zuschauer wandern durch eine Landschaft aus Körpern. Sie sind in einer unbehaglichen Position: Blicken sie doch auf die schutzlosen Kreaturen zu ihren Füßen herab. Zunächst weichen sie zurück, doch immer mehr überwinden sich und waten entschlossen durchs Nass. So wird „Pindorama“ zur kollektiven Erfahrung.
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