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Virtuos. Die Geschichte lebt von Tsutomu Niheis dynamischem Strich, wie hier auf einer Doppelseite im Abschlussband der Reihe.
© Illustration: Nihei/Egmont Manga

Manga: Wenn Androiden träumen

Die Science-Fiction-Reihe „Biomega“ ist große, düstere Cyberpunk-Kunst. Jetzt liegt der Sechsteiler von Tsutomu Nihei komplett auf Deutsch vor.

Viele erwachsene Comic-Leser erinnern sich noch gut daran, wie es war, als Kind die ersten Science-Fiction-Geschichten zu entdecken und aus dem Staunen über die fantastischen Welten nicht mehr herauszukommen. Hin und wieder gibt es ein Buch oder eine Serie, die diesen Zauber auch für ältere Leser wieder aufleben lassen. „Biomega“ zum Beispiel.

Die sechsteilige Science-Fiction-Serie des japanischen Autors und Zeichners Tsutomu Nihei, die jetzt mit dem kürzlich veröffentlichten Abschlussband komplett auf Deutsch vorliegt, strotzt vor fantastischen Bildern und ausufernden Ideen, die auf eine im Mainstream-Manga selten anspruchsvolle künstlerische Weise umgesetzt wurden. Düstere Gothic-Cyberpunk-Elemente mischen sich mit meisterhaften Zeichnungen fantastischer Alptraumwelten, hyperrealistisch dargestellte Figuren treffen auf rätselhafte, organisch aussehende Maschinenkreaturen, die mit menschenähnlichen Humanoiden in merkwürdigen Symbiosen leben.

Der 1971 geborene Nihei, der sich vor allem mit der ab Ende der 90er Jahre auch auf Deutsch veröffentlichten Endzeit-Reihe „Blame!“ einen Namen gemacht hat, entführt den Leser in „Biomega“ erneut auf eine wilde Reise durch ein postapokalyptisches Weltraum-Szenario in der fernen Zukunft. Die Erde wird durch ein vom Mars eingeschlepptes Virus zerstört, die Menschheit weitgehend ausgelöscht oder nach und nach in zombieartige „Dronen“ verwandelt. Ein Wettlauf ums Überleben der letzen Unversehrten entbrennt. Hinter dem Chaos steckt eine Organisation namens „Data Recovery Foundation“, die wiederum von einer anderen Organisation namens „Toha Industries“ bekämpft wird. Beide werden von undurchsichtigen menschenähnlichen Wesen vertreten, die sich aber nach und nach als alles andere als menschlich erweisen.

Anklänge an „Akira“ und „Nausicaä“, „Blade Runner“ und „Matrix“

Diese vom Prinzip her eher schlichte Grundhandlung ist für Nihei aber nur der äußere Rahmen, in dem er eine Traumwelt von großer visueller Kraft entfaltet. Aus den Resten der Erde und anderer Planeten entstehen bizarre, grenzenlose Räume, die der synthetische Androide Zoichi, die künstliche Intelligenz Fuyu, ein sprechender Bär und andere Gestalten durchqueren, um einer großen Verschwörung auf die Spur zu kommen. Eine zentrale Rolle spielt dabei ein gigantischer, stählerner Wurm, der Tausende Kilometer ins All ragt und von diversen Zivilisationen bewohnt ist. Wie Zoichi, seine Mitstreiter und ihre Widersacher sich durch diese alptraumhaft schöne, ständig ihr Äußeres verändernde Endzeitwelt kämpfen und dabei ihren Traum von der Rettung der Menschheit nicht aufgeben, das erinnert an Genre-Klassiker wie die Mangaserien „Akira“ und „Nausicaä“ und Filme wie „Ghost in the Shell“, „Blade Runner“ und „Matrix“.

Abschied und Neuanfang. Der jetzt beendeten Serie sollen schon bald weitere ins Deutsche übertragene Werke des Autors folgen, kündigt der Verlag an.
Abschied und Neuanfang. Der jetzt beendeten Serie sollen schon bald weitere ins Deutsche übertragene Werke des Autors folgen, kündigt der Verlag an.
© Egmont Manga

Die Geschichte lebt von den Zeichnungen Niheis, die mal auf wenige Striche reduziert und dann wieder rauschhaft überbordend sind. Worte und die manchmal verwirrend unvermittelten Handlungselemente sind da oft nur zweitrangig. Wie der Zeichner mit Linien und Schatten spielt, ist großartig, ebenso sein virtuoser Einsatz unterschiedlicher Zeichenstile, je nachdem, ob er stählerne Maschinen oder zart wirkende organische Kreaturen aufs Papier bringt. Alles scheint in dieser Traumwelt zu fließen, zeichnerisch und erzählerisch. Lange mäandert die fast 1200 Seiten lange Geschichte vor sich hin, Nihei lässt sich viel Zeit, Figuren einzuführen, auf mysteriöse Reisen zu schicken, neue Figuren hinzuzufügen und nach und nach ihre Wege miteinander zu verknüpfen. Am Schluss führt er die Fäden zusammen und lässt die Verantwortlichen für die Apokalypse und ihre stärksten Widersacher zum großen, tödlichen Finale aufeinander treffen. Bombastisch.

Tsutomu Nihei: Biomega, sechs Bände à 224 Seiten, je 6,50 Euro, Egmont Manga.

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