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Szene aus dem Berlinale-Wettbewerbsfilm "DAU. Natasha" von Ilya Khrzhanovskiy und Jekaterina Oertel.
© Phenomen Film

70. Berlinale: Weltpremiere?

Paris, die Berlinale und „Dau“ im Wettbewerb: Im Bärenrennen tritt auch "DAU. Natasha" an, als Uraufführung. Ein "Natasha"-Film lief aber schon 2019 in Paris.

Es ist eine andere Fassung, sagt die Berlinale. Verwunderlich ist es dennoch. „Dau. Natasha“, der aus Ilya Khrzhanovskiys gigantischem „Dau“-Projekt ausgekoppelte Film, der im Bären-Wettbewerb als Weltpremiere läuft, war im Januar 2019 bereits in Paris zu sehen. Zumindest in ähnlicher Form. Als „Dau“ dort im Théâtre du Chatelet aufschlug, besuchten viele die immersive Installation, in deren Rahmen auch die im nachgebauten sowjetischen Forschungsinstitut in Charkiw entstandenen Filme gezeigt wurden. Auch die Medien berichteten.

Unter anderem war von einem „Natasha“-Film über ein Dienstmädchen im totalitären Mikrokosmos des Instituts die Rede. Sie schläft mit einem Gast aus Frankreich und wird anschließend gefoltert, weil sie der Kollaboration mit dem Ausland verdächtigt wird.

Genau so, als Film über ein solches Dienstmädchen, wird "DAU. Natasha" von der Berlinale annonciert. Es gebe sehr explizite Szenen, sagte Festivalchef Carlo Chatrian auf der Programmpressekonferenz Ende Januar.

Weltpremiere? Auf einem A-Festival wie der Berlinale dürfen außer Uraufführungen auch internationale Premieren laufen. Und Chatrian ist zu Recht daran gelegen, dass der Druck des Labels Weltpremiere sich nicht gegen die Filme selbst wendet, wie immer finden sich zum Beispiel US-Filme im Wettbewerb, die vorher auf amerikanischen Festivals liefen. Produktionen, die außerhalb ihrer Ursprungsländer öffentlich zu sehen waren, sind allerdings vom Wettbewerb ausgeschlossen. „DAU. Natasha“, bei dem Jekaterina Oertel als Ko-Regisseurin angegeben ist, ist eine deutsch-ukrainisch-britisch-russische Koproduktion.

Einer „Le Monde“-Reportage zufolge verließ die Schauspielerin Hanna Schygulla eine Vorstellung von „Natasha“, weil sie den Anblick der vom KGB gefolterten Frau nicht ertrug, „nackt, auf einem Stuhl sitzend und gezwungen, sich eine Flasche in die Vagina einzuführen“.

Ilya Khrzhanovskiy, Regisseur der "Dau"-Filme und des "Dau"-Projekts.
Ilya Khrzhanovskiy, Regisseur der "Dau"-Filme und des "Dau"-Projekts.
© Phenomen Film

Schygulla hatte vorher mit dem „Dau“-Projekt sympathisiert. Anders als bereits vereinbart wollte sie die Figur der Natasha laut „Le Monde“ dann aber nicht mehr synchronisieren.

Vielleicht war dies keine öffentliche Vorstellung. Aber auch in einem Bericht von Deutschlandfunk Kultur über „Dau“ in Paris ist vom „Natascha-Film“ die Rede, der in Frankreich besonders in der Kritik stehe. In der „Financial Times“ trägt er den Titel „Film No. 12“; die Folterszene wird genauso beschrieben wie in „Le Monde“. Auch die Reporterin des Magazins „The Atlantic“ schreibt über den Film. In Russland ist der Film wie auch weitere aus dem "Dau"-Projekt laut Medienberichten wegen angeblicher Pornographie verboten.

Das "Dau"-Projekt hatte im Herbst 2018 in Berlin für Aufregung und Kontroversen gesorgt, weil Ilya Khrzhanovskiy und sein Team einen Straßenblock in Berlin-Mitte rund um die Staatsoper mit einer Art Berliner Mauer abriegeln wollten. Die Behörden erteilten keine Genehmigung.

Auch Lars von Triers "Nymphomaniac" lief in diversen Versionen auf Festivals - außer Konkurrenz

Die Spielfilme - meist ist von insgesamt 13 die Rede - wurden aus mehr als 700 Stunden Filmmaterial erstellt: Auf dem ebenfalls abgeriegelten Set in der Ukraine sollen bis zu 400 Darsteller teils über drei Jahre gelebt haben, sie konnten jederzeit gefilmt werden.

Uraufführungen verschiedener Fassungen hatte es zuletzt bei Lars von Triers „Nymphomaniac“ gegeben. Der erste Teil feierte 2013 in Kopenhagen Premiere, lief anschließend als Langversion-Weltpremiere auf der Berlinale, und auf dem Filmfest Venedig folgte der Director’s Cut von Teil 2. Allerdings wurde "Nymphomaniac" hier wie dort nicht im Wettbewerb präsentiert.

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