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Die britische Schriftstellerin und Aktivistin Laurie Penny.
© Jon Cartwright

Laurie Pennys „Bitch Doktrin“: Weiterkämpfen, jetzt erst recht

Traum von einer gerechteren Welt: Laurie Penny ruf in ihrem Essay-Band „Bitch Doktrin“ zum feministischen Widerstand gegen Trump & Co auf.

Donald Trump hat Laurie Penny einen Strich durch die Rechnung gemacht. Eigentlich wollte die arbeitswütige britische Journalistin, Autorin und feministische Aktivistin sich endlich mal ausruhen, in den Urlaub fahren, vielleicht einen Roman schreiben. Doch dann gewann Trump eine Vorwahl nach der anderen und wurde schließlich US-Präsident. Pennys Albtraum war Realität geworden: ein hasserfüllter Internettroll als mächtigster Mann der Welt.

Für Penny war klar, dass sie weiterkämpfen muss. Jetzt erst recht. Ihre erste Aufgabe bestand darin, das Vorwort ihres neuen Essay-Bandes „Bitch Doktrin“ umzuschreiben. Darin ging es um Hillary Clinton, die für sie Neoliberalismus und den Status Quo verkörpert. Aber nun Trump? Mit seiner ungehemmten Frauenfeindlichkeit, seinem offenen Rassismus – ein Feind ganz anderen Kalibers.

Man merkt dem neuen Vorwort seine Dringlichkeit an. Manisch springt Laurie Penny von Punkt zu Punkt: von der Pseudo-Objektivität weißer Männer im Journalismus über die Bedeutung von Utopien bis hin zum aktuellen Zustand des Feminismus. Sie mahnt vor der Tendenz innerhalb der Linken, der „Identitätspolitik“ die Schuld für Trumps Sieg zu geben und sich wieder nur auf die Klassenfrage konzentrieren zu wollen: „Hautfarbe, Gender und Sexualität sind in der aktuellen Krise keine untergeordneten Themen. Sie sind Grundlage und Ausdruck dieser Krise.“ Die Linke dürfe sich gerade jetzt nicht spalten, der Kampf gegen den „Neofaschismus“ könne nur gemeinsam gewonnen werden, so Pennys Plädoyer.

Feministische Theorie und persönliche Erfahrungen

„Bitch Doktrin“ vereint Artikel, die Penny zwischen 2013 und 2016 für die „New York Times“, „Buzzfeed“ und „New Inquiry“ geschrieben hat. Wie 2015 in der Essay-Sammlung „Unsagbare Dinge“ finden sich in „Bitch Doktrin“ eine Vielzahl von Themen: feministische Action-Filme und Vergewaltigungskultur, die Kölner Silvesternacht und Sexroboter, das Recht auf Abtreibung und der Chauvinismus der Linken, die Alt-Right-Bewegung und der „Transgender-Wendepunkt“. Laurie Penny mischt persönliche Erfahrungen mit feministischer Theorie und politischen Analysen und erzählt in bildreicher Sprache: „Der Motor des kapitalistischen Patriarchats wird mit dem schmutzigen Kraftstoff weiblicher Scham betrieben…“.

Der Titel des Buches bezieht sich auf den Ausdruck, mit dem Internettrolle Pennys öffentliche Äußerungen beschimpfen. Die Beleidigungen und Morddrohungen beeindrucken sie nicht: „Es bringt nichts, nett zu sein in einer Welt, die in Flammen steht.“ Lieber sei sie eine Bitch, denn die würden was hinkriegen, wie die US-Komikerin Tina Fey sagte: „Bitches get stuff done“.

Penny kritisiert soziale Ungleichheit

Manchmal schießt Penny übers Ziel hinaus, etwa wenn sie Trump als „orangefarbenen Hitler“ bezeichnet. Vergleiche mit dem NS-Regime sind problematisch. Penny musste sich im letzten Jahr mit Antisemitismus-Vorwürfen auseinandersetzten – aufgrund ihrer Nähe zur BDS-Kampagne, die sich für einen kulturellen und wirtschaftlichen Boykott Israels einsetzt. Penny, die jüdische Wurzeln hat, wehrte sich vehement gegen die Anschuldigungen, betonte aber auch ihr Recht, Israel kritisieren zu dürfen.

Laurie Pennys Stimme ist vor allem wichtig, weil sie soziale Ungleichheit thematisiert. Und damit Kritik übt an einem entpolitisierten und individualisierten Mainstream-Feminismus, für den Kapitalismus, Rassismus oder das Patriarchat Fremdwörter sind und ein paar mehr Frauen in Vorständen die vollendete feministische Utopie darstellen. Allein, weil von diversen Medien schon zu Ikonen erkorene Frauen wie Facebook-Chefin Sheryl Sandberg es sich kommod im neoliberalen System eingerichtet haben. Und selbst Präsidententochter Ivanka Trump sich als Feministin bezeichnet.

Feminismus ist mehr als die „Work-Life-Balance“

Privilegierte Frauen wie diese geben in ihren Büchern Tipps, was andere Frauen tun müssen, um an die Spitze zu kommen (hauptsächlich, sich „mehr reinhängen“) – und erwähnen natürlich mit keinem Wort ihre zahlreichen, oft weiblichen, nicht-weißen und nicht-bürgerlichen Angestellten, die für sie Wäsche waschen, Kinder zur Schule bringen und das Essen kochen. Penny spricht im Vorwort des Bandes auch ausführlich von ihren eigenen Privilegien – sie ist bürgerlich, weiß, gebildet – und gesteht, nie genau wissen zu können, wie Frauen aus der Arbeiterklasse oder „Women of Color“ die Welt erleben. Dem Feminismus müsse es um mehr gehen, so Penny, als einigen wenigen Frauen eine bessere „Work-Life-Balance“ zu verschaffen. Sie will eine echte Neuordnung des Systems, eine Umverteilung von Macht, Wohlstand und Einfluss.

Pennys Fähigkeit, Dinge auf den Punkt zu bringen, ist überzeugend – und manchmal hat ihre Widerständigkeit auch etwas Poetisches. Denn trotz des Aufstiegs der Rechten in Europa, trotz Brexit und Trump hat sie die Hoffnung auf eine gerechtere Gesellschaft nicht aufgegeben. Da zitiert sie dann auch schon mal aus dem „Herr der Ringe“: „Es gibt etwas Gutes in der Welt, Herr Frodo, und dafür lohnt es sich zu kämpfen.“

Laurie Penny: Bitch Doktrin. Aus dem Englischen von Anne Emmert. Edition Nautilus, Hamburg 2017. 320 Seiten, 18 €.

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