Kolumne Trump und ich (8): Weiße sterben früher
Donald Trump wollte die Gesundheitsversicherung Obamacare abschaffen - und damit Steuerreformen für Reiche finanzieren. Jetzt ist er gescheitert. Freude kommt trotzdem nicht auf.
Seit Trumps Attacke auf Obamacare im Kongress gescheitert ist, sollte es mir eigentlich besser gehen. Besonders weil Pam, Jim und Steve gleich danach mit ein paar Flaschen Schaumwein aufkreuzten, zum Anstoßen. Das Budget Office des Kongresses hatte ausgerechnet, dass 24 Millionen Amerikaner ihre Versicherung verlieren würden, wenn Trump Erfolg hätte, das Weiße Haus sprach sogar von 26 Millionen. Das Geld, das durch den Wegfall staatlicher Gesundheitsversorgung von Älteren und Ärmeren eingespart worden wäre, sollte die geplante Steuersenkung für die Reichen finanzieren. Wie gesagt, das Scheitern dieses fiesen Plans sollte meine Laune eigentlich heben.
Trump kennt keinen Plan B
Tat es aber nicht. Erstens hat der Meister-Stratege Trump es geschafft, dass das Repräsentantenhaus die Abstimmung absagte, denn er wusste, dass die Republikaner nicht zustimmen würden. So stand nun der Kongress dumm da und nicht er. Unfähig, einen Plan B zu entwickeln, zog er sich elegant aus der Affäre. Ganz schön clever. So lernt man von den Intrigen des Borgia-Clans. Steve sagte, ich leide unter Paranoia. Jim fand, dass ich recht hätte. Pam gab noch eine Runde Prosecco aus.
Und zweitens hatte ich gerade einen Vortrag in Princeton darüber gehalten, warum diejenigen, die am meisten unter Trumps Plänen leiden, ihn unterstützen. Von denjenigen, die ohne Obamacare mindestens 1000 Dollar weniger staatliche Unterstützung für ihre Krankenversicherung bekommen würden, haben sieben Prozent ihn gewählt. Diejenigen, die 5000 Dollar oder mehr verlieren würden, wählten ihn zu 60 Prozent. Steve verstummte, Pam schenkte nach.
Verzweiflungstode nehmen zu
Die deprimierendsten Daten haben die Wirtschaftswissenschaftler Anne Case und Angus Deaton erhoben. Bei weißen Amerikanern, die bestenfalls einen Highschool-Abschluss haben, sinkt die Lebenserwartung, weil Krankheitsanfälligkeit und die Gefahr sozialer Isolation steigen. Vor allem verzeichnen sie einen dramatischen Anstieg von „Verzweiflungstoden“ (Drogen, speziell Opiate, Alkohol, Selbstmord), während bei Amerikanern mit höherem Bildungsabschluss die Sterberate sinkt, vergleichbar übrigens der Kurve für Arbeiter in anderen Wirtschaftsnationen, etwa dem Irak.
Aber dem Durchschnittsamerikaner geht es schlecht, und zwar überall in Amerika, in der Stadt wie auf dem Land. Noch 1999 hatten alle diese Weißen eine um 30 Prozent niedrigere Sterblichkeitsrate als Afroamerikaner, 2015 lag sie um 30 Prozent höher. Verzweiflungstode verzeichnen einen drastischen Anstieg, auch schon in jüngeren Jahren. Die Sterblichkeitsrate für weiße 35-Jährige ist jetzt so hoch wie früher für 60-Jährige.
Wir schauten uns an. Zusammen bringen wir es auf drei Doktor-Abschlüsse und einen Medizin-Doktor, auf 17 Bücher und einen schwarzen Karategürtel. Ein kleiner Trost, wenn es um die Lebenserwartung so vieler Amerikaner derart schlecht bestellt ist. Es blieb uns nichts übrig, als die nächste Flasche zu öffnen.
Unsere Autorin Marcia Pally lebt in New York. Sie lehrt dort Multilingual Multicultural Studies an der New York University. Übersetzung: Christiane Peitz
Marcia Pally