Rita McBride in der Galerie Konrad Fischer: Weiß ist nicht weiß
Die amerikanische Künstlerin Rita McBride zeigt Leitplanken in der Galerie Konrad Fischer.
Es gibt da ein Geheimwissen, das wird Fußgängern und Radfahrern, Bus- und Gebrauchtwagenfahrern immer verborgen bleiben. Sie ahnen nicht einmal etwas davon. So wie der Verfasser, bis er sich im vergangenen Jahr aufmachte, den ersten Neuwagen seines Lebens zu erwerben. Die Farben, in denen das gewünschte Modell angeboten wurde, waren leider alle indiskutabel. Es würde also auf Weiß hinauslaufen. Weiß ist aber nicht gleich Weiß, war zu lernen, das eine Weiß sollte sagenhafte 1300 Euro mehr kosten als das andere. Und das nur beim Kauf. Bei einer Reparatur, erklärte der Verkäufer, käme einen das teurere Weiß noch mal viel teurer. Weil: Dreischichtlackierung! Die Wahl fiel am Ende auf das Standard-Weiß.
Die Künstlerin Rita McBride hätte sich möglicherweise anders entschieden. Jedenfalls versetzt die geschilderte Erfahrung den Betrachter ihres neuesten Werks nun in die Lage, dessen Materialqualität hinreichend zu würdigen. Die Vierschichtlackierung wertzuschätzen. Sich am ständigen Wechsel der Farbnuancen zwischen Blau und Violett zu erfreuen, bewirkt durch kleinste Veränderungen des Blickwinkels. Mit solchen Augen, so bewusst hatte man sich das Objekt tatsächlich vorher nie angeguckt. Obwohl man es schon Abertausende Male, mindestens, gesehen haben muss. Aber eben immer nur am äußeren Rand des Sichtfeldes. So beiläufig, so selbstverständlich, so ignorant, dass einem nicht einmal geläufig ist, ob es eigentlich nur dieses eine Fabrikat gibt oder ob das Ding nicht wenigstens im Ausland ein bisschen anders aussieht.
Ein alter Trick
Die Rede ist von der: Leitplanke. Mitten hinein in die Berliner Dépendance der Düsseldorfer Konrad Fischer Galerie hat also die ehemalige Rektorin der Kunstakademie Düsseldorf Rita McBride ein Pentagon aus weißen Trockenbauwänden im Format von jeweils drei mal vier Metern bauen lassen. Und darauf auf etwa zwei Metern, also etwas über Augenhöhe, fünf in der Profiwerkstatt mehrschichtlackierte Leitplanken (je 40 x 470 Zentimeter) geschraubt.
Die Kontextverschiebung, das Readymade oder Objet trouvé ist natürlich ein ganz alter Trick, viel älter als Rita McBride. Vielleicht nicht gleich Abertausende Male gesehen, aber oft genug. Oder auch noch nicht. Denn es ist schon erstaunlich, wie anders wahrzunehmen man eine – nicht länger: schnöde – Leitplanke plötzlich in der Lage ist. Welche Assoziationsketten da ausgelöst werden, über die Erinnerung an den Autokauf hinaus. Der Betrachter ist immer auch Teil des Werkprozesses, schon klar. Und: Wie war das eigentlich noch mit dem Geschwindigkeitskult, der Automobil-Obsession der Futuristen?
Man ist im Gespräch mit Museen
Die Konzeptkünstler von heute denken ja immer gleich die ganze Kunstgeschichte mit. Und apropos Auto: Von Rita McBride gab es übrigens auch schon einmal einen Toyota-Sportwagen aus Rattan. Und Miniatur-Parkhäuser aus Bronzeguss. Liegt es nun an der ungewohnten Pentagon-Form oder ganz im Gegenteil an der jahrzehntelangen Konditionierung darauf, die Leitplanke immer nur im Zustand der Bewegung (nicht) wahrzunehmen? Dass das Kunstwerk, das einzige – eine sechste Leitplanke im Schaufenster kann man kaum zählen, sie ist aufgrund einer Baustelle vor dem Galerienhaus praktisch nicht zu sehen – der „leitplanken“ betitelten Schau, so einen Drang ausübt, umlaufen werden? Vorzugsweise entgegen dem Uhrzeigersinn, die Leitplanken also rechter Hand.
Es wäre interessant, aber leider viel zu unsicher, auf Galeriebesucher mit britischer oder anderer linksverkehrlicher Herkunft zu warten, um festzustellen, ob die das Pentagon möglicherweise in entgegengesetzter Richtung umrunden. Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit irgendwann einmal in einem Museum. In einem solchen nämlich wollen sich die Galeristen die raumgreifenden „leitplanken“ viel lieber vorstellen als in einer privaten Sammlung, man sei bereits im Gespräch mit … Das darf aber ebenso wenig in der Zeitung stehen wie der angepeilte sechsstellige Kaufpreis.
Konrad Fischer Galerie, Lindenstr. 35; bis 17. 2., Di 11–18 Uhr, Sa 11–14 Uhr
Jens Müller
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