Festival im HAU: Weinende Männer
Er wird so sehr diskriminiert, dass er sich nicht einmal beklagen darf: Der weiße Mittelschichtsmann ist das privilegiertes Opfer unserer Zeit. Im Festival "Straight White Men" erlebt er seine ureigenen Ängsten: das Versagen, die eigene Schwäche und einen roter Staubsauger.
„Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss“, wusste John Wayne. Die vier Protagonisten in dem Theaterstück „Straight White Men“ denken die ganz Zeit über sich nach, wissen aber nicht mehr so genau, was zu tun ist. Das Festival „Männlich Weiß Hetero“ im HAU stellt eine Figur auf den Prüfstand, der sich zuletzt vor allem die Kulturwissenschaften widmeten. Zur Einstimmung holt die Autorin und Regisseurin Young Jean Lee echte Kerle auf die Bühne. Die gewitzte Theaterfrau begeisterte 2013 schon mit ihrer „Untitled Feminist Show“, einer Burleske mit nackt tanzenden Frauen. Die Studie über den weißen Mittelschichtsmann, der für Norm und Normalität steht, kommt frappierend konventionell daher. Mit seinem schauderhaften Bühnenbild und der altmodischen Spielweise mutet das Ganze fast wie eine Parodie an.
Wer kein Problem damit, ein weißer Mann zu sein, wandert gleich ins Gefängnis
Ein Vater und seine drei erwachsenen Söhne feiern zusammen Weihnachten. Sie fläzen sich auf der Couch, trinken Eggnogg, balgen und necken sich und spielen ein Spiel namens Privilege – eine politisch korrekte Variante von Monopoly. Wer bei sexistisch/rassistisch/homophoben Sprüchen ertappt wird, muss 50 Dollar an die lesbisch-schwule Community zahlen. Wer behauptet, er habe kein Problem damit, ein weißer Mann zu sein, wandert gleich ins Gefängnis.
Die Identität des heterosexuellen weißen Mannes als Konstrukt vorführen – darum geht es Young Jean Lee. Der Trick besteht darin, dass ihre Protagonisten ein ausgeprägtes Bewusstsein ihrer Identität haben; darin ähneln sie den gesellschaftlichen Minderheiten. Sie wissen um ihre privilegierte Position und werfen sich vor, nicht politisch genug zu sein. Während aber der auf Selbstverwirklichung pochende Drew glaubt: „Ein weißer Mann kann in der Welt etwas bewegen“, macht sich der zynische Jake lustig über den Aktivismus aus schlechtem Gewissen. „Kopieren für die Unterdrückten“ nennt er das Engagement in Menschenrechtsgruppen. Seine Erkenntnis: Du kannst das System nicht ändern, ohne deine Vorrechte zu verlieren. Bald läuft das Familienfest aus dem Ruder. Matt, der Älteste, hat zwar in Harvard studiert, schlägt sich aber mit prekären Jobs rum und wohnt wieder bei seinem Vater. Er fängt unvermittelt zu heulen an und greift sogar zum Staubsauger – was Jake und Drew verdächtig vorkommt. Der Versuch, über Gefühle zu sprechen, geht hier natürlich in die Hose. Stattdessen nötigen sie Matt, ein Job-Interview zu simulieren. Doch der ist nicht gewillt, an der kapitalistischen Selbstoptimierung zu arbeiten.
Vom Publikum bestaubt wie ein Gorilla im Zoo
„Alles kommt heraus an Weihnachten“, sagt der Vater. Fast erwartet man, dass Matt sich als schwul outet. Doch er ist einfach nur ein depressiver Verlierer - was die anderen nicht ertragen. So wird er zum Außenseiter erklärt. Young Jean Lee Versuchsanordnung ist nicht frei von Klischees. Ihre Protagonisten sind Witzfiguren, die von einem überwiegend queeren Publikum bestaunt werden wie Gorillas im Zoo. So ausgelutscht die Theatermittel sind: Die Dialoge sind pointiert, und den Schauspielern gelingt es, Männerrituale unterhaltsam zu entlarven.
Auf hinterhältige Weise zeigt die Regisseurin: Auch das Problembewusstsein des weißen Mittelschichtsmannes ändert nichts an den Verhältnissen. Das Festival zeigt nicht nur die Blicke von Frauen auf das männliche Normsubjekt. Die südafrikanischen Tänzer Thabiso Heccius Pule und Hector Thami Manekehla bestätigten in Performance „P.E.N.I.S. P.O.L.I.T.I.C.S.“, dass der Mann ein schwanzgesteuertes Wesen ist. Sind das etwa neue Erkenntnisse?
Wieder Sa 25.4., 20.30 Uhr, HAU1
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