Neonazi-Film "Kriegerin": Wege aus der Wut
Genau recherchiert und gut erfunden: David Wnendts Spielfilm "Kriegerin" ist ein Thriller aus der ostdeutschen Neonazi-Subkultur - mit einer famosen Hauptdarstellerin: Alina Levshin.
Deutschland, tief im Osten. Trostlose Provinz, in der bröckelnde Plattenbauten an Windparks grenzen. Wer noch Träume hatte, ist längst weg, geblieben sind die Alten und die Verlierer. Rechtsradikalismus ist hier zum Mainstream geworden, Gewalt gehört zum Alltag. „Kriegerin“ beginnt mit einem Schockmoment. Eine Gruppe von Skinheads bewegt sich grölend und dosenbiertrinkend durch einen Regionalzug. Sie stürzen sich, dicht beobachtet von der wackelnden Handkamera, auf einen ausländisch aussehenden Jugendlichen, prügeln auf ihn ein, am Ende reißt ein Mädchen den Arm hoch zum Hitlergruß.
Den Begriff „national befreite Zone“ mag man in Stuttgart, Hamburg oder Köln für einen Euphemismus der Neonazi-Propaganda halten. Doch das Debüt des Berliner Regisseurs David Wnendt, das durch die Enthüllungen um das Zwickauer Terroristen-Trio noch an Brisanz gewonnen hat, zeigt, dass es in Ostdeutschland tatsächlich solche Zonen gibt.
Marisa (Alina Levshin) heißt das Mädchen aus dem Zug – eine Hardlinerin, die sich das Hakenkreuz auf ihr Brustbein hat tätowieren lassen. Sie hasst „Alkoholiker, Junkies, Kinderschänder, Neger, Leute, denen dieses Land scheißegal ist“. Im Kleinstadt-Supermarkt, wo sie an der Kasse sitzt, ignoriert sie einen halbwüchsigen afghanischen Flüchtling (Sayed Ahmad Wasil Mrowat): „Sowas bedien’ ich nicht.“ Seinen Freund fährt sie nach einem eskalierenden Streit am Badesee mit ihrem Auto über den Haufen. Doch der Junge kommt immer wieder, fordert sie heraus, bis sie ihn mitnimmt und versteckt. Der Hass beginnt zu bröckeln.
Dass „Kriegerin“ ein Kino-Ereignis ist, hat der Film auch seiner Hauptdarstellerin zu verdanken. Bekannt wurde Alina Levshin mit der Rolle einer ukrainischen Zwangsprostituierten in Dominik Grafs TV-Mehrteiler „Im Angesicht des Verbrechens“. Da spielt sie ein auf Erlösung wartendes Opfer; die aggressive Springerstiefel-Schlägerin ist dazu nur scheinbar die Komplementärfigur. Denn hinter der Wut verbirgt sich Verletzlichkeit. Von der Mutter (Rosa Enskat) bekommt Marisa bloß Belehrungen: „Es gibt nicht viel, was du gut kannst.“ Geliebt fühlt sie sich nur vom kranken Großvater (Klaus Manchen), der ihr „meine Kriegerin“ ins Ohr flüstert und sie bittet, nicht die „Lügen“ der Lehrer über Hitler zu glauben.
David Wnendt hat jahrelang für seinen Film recherchiert und sich mit vielen extremistischen Frauen getroffen. Aber was heißt schon Extremismus in einer Gesellschaft, bei der Ausländerfeindlichkeit und NS-Verklärung aus der Mitte kommen? Wenn Jugendliche Neonazis werden, dann spiele, so sagt er, neben politisch desinteressierten Eltern oft auch „die Generation der Großväter und Urgroßväter mit ihren Erzählungen“ eine Rolle.
„Kriegerin“ ist ein so gut recherchierter Thriller aus der braunen Jugendkultur, dass viele Szenen dokumentarisch wirken. Er hat kein Happy End, zeigt aber, dass es Wege gibt, die aus der Wut herausführen.
Cinemaxx, Eiszeit, Hackesche Höfe, Kant, Kulturbrauerei, Rollberg, Toni