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Maria Theresia Paradis, gespielt von Maria Dragus, gab auch vor europäischen Königshäusern Konzerte.
© Farbfilm

Barbara Alberts „Licht“: Was heller strahlt

Krank für die Kunst: Barbara Alberts historisches Frauenporträt „Licht“ über die blinde Pianistin Maria Theresia Paradis.

Die Frage ist so alt wie die Künste: Was gehört zum wahren, beseelten Virtuosentum? Talent und Fleiß, klar – und sonst? Woher kommt der göttliche Funke, der eine Pianistin so einzigartig macht? Eine unter Romantikern beliebte Antwort lautet: aus dem Leid der Krankheit, der Konzentration und Sensibilität des Verzichts. Das Motiv des versehrten Genies wird im Kino immer wieder beackert, bezeugt – auch im Klischee – durch die Lebensgeschichten von David Helfgott oder Ray Charles.

Barbara Alberts Frauenporträt „Licht“ liefert jetzt eine historische und in aller erzählerischen Unaufgeregtheit auch radikale Variation des Themas. Die 1759 in Wien geborene Maria Theresia Paradis war als blindes Wunderkind am Klavier etwa zeitgleich mit Mozart in der europäischen Musikszene populär. Sie spielte an Königshöfen, Kaiserin Maria Theresia förderte sie mit einer „Gnadenpension“. Paradis komponierte, unterrichtete und gründete schließlich eine Musikschule für Blinde. Und sie entscheidet sich, als sie in „Licht“ die Wahl zwischen Heilung und Virtuosentum hat, für die Kunst, für die Strahlkraft ihrer Musik. Die Schriftstellerin Alissa Walser hat der außergewöhnlichen Frau 2010 den Roman „Am Anfang war die Nacht Musik“ gewidmet, auf dem nun das Drehbuch des Films basiert.

„Lächeln, Theres, und nicht so wackeln! Roll nicht so mit den Augäpfeln, Theres, sonst rollen sie dir noch vor die Füße!“ Der Umgangston, den die Eltern von Paradis mit ihrer gelegentlich schon mal „Krüppelkind“ geheißenen Hochbegabten pflegen, ist nicht zimperlich. Auch die noble Wiener Gesellschaft des Jahres 1777 lässt es unter den gepuderten Rokoko-Perücken nicht an Sticheleien fehlen. „Schön ist sie ja nicht“, zischt ein Zuhörer dem Nachbarn zu. „Aber spielen kann sie“, entgegnet der. Die Bemerkung definiert im Bewusstsein der 18-Jährigen auch ihre Existenz. Sonst wird „eine, die nicht sehen kann, auch nicht gesehen“.

Devid Striesow spielt den Wunderheiler Franz Anton Mesmer

Erkennen und erkannt werden – darum geht es der in Berlin lebenden Österreicherin Barbara Albert, die dieser Frauenfigur zuliebe erstmals ein fremdes Drehbuch (Kathrin Resetarits) verfilmt. Ihr größtes Pfund ist Maria Dragus, die die Hauptrolle mit Hingabe und Takt verkörpert. Nur folgerichtig, dass die Schauspielerin seit dem Gewinn des deutschen Filmpreises als beste Nebendarstellerin in Michael Hanekes „Das weiße Band“ so eine tolle Karriere hingelegt hat. Ihr flächiges Gesicht mit der hohen Stirn, den suchend wandernden Augäpfeln und der feinen Mimik ist das Zentrum fast jeder Einstellung.

Der konzentrierte Widerpart der Pianistin ist ein anderer berühmter Zeitgenosse, der Wunderheiler Franz Anton Mesmer. Devid Striesow spielt den Arzt, der seine Patienten per „Magnetismus“ kurierte, mehr als empathischen Psychotherapeuten denn als eitlen Gecken, auch wenn er einer Abordnung von Hofschranzen stolz die wiedererweckte Sehfähigkeit von „Resi“ vorführt. Mesmer geht es wie Paradis: Sie leben von der Gunst der Gönner. Diese Abhängigkeiten sind präzise gezeichnet. Und auch wenn die Aufklärung allmählich verkrustete gesellschaftliche Etikette aufbricht: Ein Individuum, zumal ein weibliches, das nicht ansehnlich, vermögend oder besser noch von Stand ist, gilt nichts.

„Ich will niemand sein, der nichts kann und nichts ist“, ruft Resi denn auch verzweifelt aus, als sie feststellt, dass ihre in Mesmers Obhut langsam wiedergewonnene Sehfähigkeit offensichtlich auf Kosten ihres Klavierspiels geht. Niemand zu sein, ist in den Augen der sich zusehends der Kontrolle der Eltern entwindenden Pianistin weit schrecklicher, als blind zu sein.

Eine Regisseurin wie Barbara Albert erliegt natürlich nicht der Versuchung, die Geschichte in Rokoko-Rüschen zu ertränken. Sie erzählt Resis Emanzipationsgeschichte innig und diskret, unparfümiert und ohne Effekthascherei, nutzt aber durchaus die Schauwerte, die die Kostüme und historischen Settings bieten. Die gesellschaftlichen Affektiertheiten der Zeit bieten, auch ohne ausgestellt inszeniert zu sein, immer wieder Anlass für gelegentliche Lacher. Das hindert Albert, die sich seit ihrem Spielfilmdebüt „Nordrand“ (1999) als Freundin starker Frauenrollen und als genaue Milieubeobachterin etabliert hat, nicht daran, auch die sexuelle Nötigung zu thematisieren, der Resis Kammerzofe Agi ausgesetzt ist. Auch eine filmische Überhöhung des Künstlertums ist Alberts Sache nicht. Maria Theresia Paradis will im Glanz leben, eine perfekte Pianistin zu sein. Und wenn es um den Preis der Dunkelheit ist.

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