Debatte um das Kulturgutschutzgesetz: Was heißt hier national wertvoll?
Workshop „Art Markets and Politics“ am Berliner Institut für Kunstwissenschaft: Experten diskutieren die Auslegung des neuen Kulturgutschutzgesetzes.
Eine „Zeit großer Unsicherheit“ beschreibt die Berliner Juristin Miriam Kellerhaus, und man reibt sich verwundert die Augen. Ist das Gesetz zum Kulturgutschutz nicht längst beschlossen? Sollte es nicht das Ende aller Unklarheiten sein? Und ist die Polemik der jüngeren Vergangenheit nicht schon der pragmatischen Umsetzung jener Direktiven gewichen, die künftig der Bewahrung national wertvoller Kunstschätze dienen?
Wer die Podiumsdiskussion im Rahmen des Workshops „Art Markets and Politics“ am Berliner Institut für Kunstwissenschaft verfolgt hat, der weiß nun: Die Arbeit fängt gerade an. Im Detail offenbart sich die Widersprüchlichkeit einer Verordnung, die ihren Gegenstand überhaupt erst konkretisieren muss. Diese Kritik kam nicht wie gewohnt von Händlerseite. Obgleich sich das Institut an der TU explizit mit dem Kunstmarkt beschäftigt, saßen auf dem Podium unter der Leitung von FAZ-Redakteurin Julia Voss zwei Wissenschaftler, die Rechtsanwältin Kellerhaus und Journalist Nikolaus Bernau. Kilian Heck, Professor für Kunstgeschichte und Vorsitzender des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker, formulierte klar, was er vermisst: eine allgemein gültige Definition für jenes Kulturgut, das „national wertvoll, identitätstiftend“ und deshalb im Land zu halten sei.
Dass nun jedes Objekt ab einem Alter von 75 Jahren und einem Wert von 350000 Euro automatisch eine Genehmigung zur Ausfuhr brauche, helfe wenig. Ein Statement, dem nicht nur Kellerhaus mit einem anschaulichen Beispiel beipflichtete: einem Werk, das zum Schätzpreis von 300000 Euro in ein Auktionshaus etwa in London eingeliefert werde und dort einen höheren Preis erzielt. Hat es der deutsche Sammler als Vorbesitzer dann zu Unrecht ausgeführt? Muss er es zurückziehen und Regress leisten?
Auch Kunsthistorikerin Maria Obenaus, deren Dissertation vom „Verzeichnis der national wertvollen Kunstwerke“ handelt, unterstrich die Willkür solcher Details. Seit Etablierung des Verzeichnisses 1919 hätten die Festlegung auf Alter und Wert immer wieder gewechselt. Die aktuelle Entscheidung hätte bedeutet, dass auch die beiden 2014 in New York versteigerten Warhols aus dem Aachener Casino unter das neue Gesetz gefallen wären; sie hatten einen Schätzwert von 100 Millionen Euro. So sachlich das Podium war: Mit jeder Ungereimtheit stieg die Unruhe im Auditorium, darunter zahlreiche Experten, die leidenschaftlich mitdiskutierten. Eins ist klar: Die Arbeit fängt gerade erst an. Christiane Meixner
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