Gemäldegalerie: Was die Museen auf der Insel wollen
Für eine Wiedervereinigung von Malerei und Skulptur: Der Direktor der Gemäldegalerie verteidigt die umstrittenen Pläne der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Berlins Museumslandschaft in Bewegung: Die Kunst des 20. Jahrhunderts soll künftig in der Gemäldegalerie am Kulturforum präsentiert werden, mit der Surrealisten-Sammlung Pietzsch. Zehn Millionen Euro hat der Bundestag in einem ersten Schritt dafür bewilligt. Die Alten Meister sollen nach dem Masterplan der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zurück zur Museumsinsel. Diese große Rochade der Berliner Sammlungen (Tagesspiegel vom 14. Juni) löst hitzige Debatten aus. Es ist ein Projekt für die kommenden zehn Jahre. Hier erklärt der Direktor der betroffenen Gemäldegalerie den projektierten Umzug, gegen den auch der Verband Deutscher Kunsthistoriker protestiert (siehe Kasten).
Der Plan, der jetzt so heftig in der Öffentlichkeit diskutiert wird, ist alt. Ich selber bin einer seiner Miterfinder, bereits im Jahr 1990. Im aktuellen Streit ist ein Blick in die Geschichte wichtig und erhellend. Die Gemäldegalerie ist gewissermaßen die Mutter der Staatlichen Museen. Mit ihrer Präsentation im Alten Museum begann 1830 die Geschichte, die im Laufe der Zeit heranwuchs zu der faszinierenden Familie von Sammlungen und Institutionen der Staatlichen Museen zu Berlin. Der Umzug in das damals neu errichtete Kaiser-Friedrich-Museum, das heutige Bode-Museum, brachte der im Laufe des 19. Jahrhunderts enorm angewachsenen Bildersammlung nicht nur mehr Raum.
Es geschah im Jahr 1904 noch etwas anderes: Wilhelm von Bode erkannte die Bildhauerei als eine der Malerei gleichwertige Kunst und brachte diese beiden Gattungen unter einem Dach zusammen, bisweilen (nicht durchwegs!) in unmittelbarer Nachbarschaft von Skulptur und Malerei. Dieses Konzept wurde international als augenöffnend und revolutionär begriffen. Insbesondere die Museen in den Vereinigten Staaten von Amerika folgten sehr schnell Bodes Beispiel.
Auch das Kaiser-Friedrich-Museum erwies sich sehr schnell als zu klein für die beiden Sammlungen, weshalb als Erweiterung der Nordflügel des damals jüngsten Neubaus auf der Museumsinsel vorgesehen und, nach langer Bauzeit, auch eingerichtet wurde. Miteinander durch eine Brücke verbunden, ermöglichten die beiden Gebäude dem Besucher eine Tour durch die Geschichte der Kunst von der Spätantike bis in die Jahre um 1800.
Wissend um diese Geschichte und das enorme Potenzial des Bode-Museums erkennend, lag es im Jahr 1990 und liegt es noch heute absolut nahe, sich für die Rückkehr der Bilder auf und an die Museumsinsel zu engagieren. Selbstverständlich war und ist das Bode-Museum für die Präsentation der Skulpturensammlung und der Gemäldegalerie alleine zu klein. Da aber wegen des erweiterten Raumbedarfs der Antikensammlungen der Nordflügel des Pergamonmuseums nicht mehr zur Verfügung steht, bleibt als Möglichkeit nur das Hinüberwachsen auf das andere Ufer des Kupfergrabens. Für dieses Projekt liegt die städteplanerische Grundlage bereits fest. Dort entsteht derzeit das Archäologische Zentrum der Staatlichen Museen. Wir sind mit unseren Planungen also, verglichen mit 1990, glücklicherweise sehr weit vorangekommen.
Warum dringen wir auf eine Verlagerung der Gemäldegalerie von ihrem erst 1998 bezogenen Haus am Kulturforum, warum halten wir eine Rückkehr auf die Museumsinsel nicht nur für plausibel, sondern sogar für notwendig? Es ist ja absolut richtig: So schön wie heute in dem Galeriebau konnte man die Bilder seit vielen Jahren nicht mehr sehen. Und doch: Er steht gewissermaßen am falschen Platz. Die Museumsinsel beherbergt die Kunst von den frühen Hochkulturen bis in das 19. Jahrhundert. Die Gemälde, unbestritten Leitmedium von Mittelalter und früher Neuzeit, sind dort nicht oder kaum vertreten. Nicht unmittelbar anschaulich wird ihre Auseinandersetzung mit der Kunst der Antike einerseits, ihre Wegbereiterrolle für das 19. Jahrhundert andererseits.
Zudem ist der Galeriebau am Kulturforum eine reine Pinakothek. Die gleichzeitige Betrachtung der anderen so wichtigen künstlerischen Technik, der Bildhauerei, ist dort nicht möglich. Weite Bestände der Gemäldegalerie und der Skulpturensammlung sind jedoch simultan gesammelt worden – beide Kollektionen sind systematische, enzyklopädische Sammlungen und vielfältig miteinander verknüpft.
Wir haben es im letzten Sommer gezeigt: Für die mächtigen Florentiner Familien, oft genug untereinander heftig zerstritten, waren gemalte Porträts ebenso wie Büsten aus Marmor offenkundig gleichrangige Medien der Repräsentation, der stolzen Vergewisserung des erreichten Status. Man sieht es an den im Bode-Museum ausgestellten spätgotischen Altären bereits jetzt: Malerei und Skulptur begegnen sich nicht selten in ein- und demselben Kunstwerk. Es lässt sich ahnen, dass Caravaggios Amor und Berninis Satyr, jene zwei Werke der beiden wichtigsten römischen Kunstrevolutionäre, nicht kilometerweit räumlich getrennt sein dürfen, sondern in einen spannenden Dialog eintreten sollten.
Das Bode-Museum bietet nach wie vor beste Voraussetzungen für die Vereinigung der beiden Sammlungen. Die großen, durch Seitenfenster hell durchlichteten Räume des Hauptgeschosses eignen sich, wie jeder sehen kann, vorzüglich für die Präsentation plastischer Werke, punktuell kombiniert mit an den großen Wandflächen gezeigten Gemälden. Das Obergeschoß des Hauses bietet demgegenüber zwei völlig andere, sich aber wunderbar ergänzende Raumtypen: In einem inneren Kreis, um die fünf Höfe des Baus sortiert, liegen Oberlichtsäle, geeignet für die Ausstellung vor allem großformatiger Gemälde.
In den Flügeln zur Spree und zum Kupfergraben liegen Perlenketten von Kabinetträumen, in denen sich kleinformatige Gemälde und Skulpturen hinreißend präsentieren lassen. Dort Bronzen von Giambologna gemeinsam mit subtil auf Kupfer gemalten Bildern der gleichen Epoche – Elsheimer, Gentileschi – zu sehen, gäbe Einblick in eine Zeit, die das Kostbare und Präzise über alles und in jeder Kunstform zu schätzen wusste. Und selbstverständlich wären auch George de La Tours Bilder im Bode-Museum zu sehen, vereint mit den italienischen Bildern, von denen er sich anregen ließ.
Der städtebaulich in seiner Kubatur bereits feststehende Erweiterungsbau soll idealerweise die Struktur des Bode-Museums aufgreifen, um seinerseits Räume zu bieten für, zum Beispiel, die monumentalen Tafeln Hans Multschers, vereint mit seiner Skulptur der Hl. Magdalena. Und hier auch fänden die gemalten Alabasterfiguren auf den Altartafeln von Simon Marmion zu ihrem ursprünglichen ästhetischen Sinn zurück.
Dieser eine Erweiterungsbau auf dem anderen Ufer des Kupfergrabens ist eine wunderbare Möglichkeit, die Probleme dreier Sammlungen zu beheben. Nicht nur die Raumnot der Nationalgalerie ist Anlass für diesen Plan. Ganz wichtig ist eben die Heimkehr der Gemäldegalerie in den Kontext der Alten Kunst. Auch die Skulpturensammlung braucht diesen Erweiterungsbau: Riemenschneiders virtuos geschnitzte Figuren sind derzeit in einem Oberlichtsaal des Bode-Museums ausgestellt, beleuchtet durch Kunstlicht, ausgesandt von Strahlern: Dringend gewünschtes natürliches Seitenlicht können diese jedoch nicht ersetzen.
Das Bode-Museum ist ein wunderbares Haus. Es hat nur einen, allerdings behebbaren, Fehler: Es ist zu klein, es braucht die ersehnte Erweiterung.
Der Autor ist Direktor der Gemäldegalerie, der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst der Staatliche Museen zu Berlin.
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