Comic zum Film: Waltz with Bashir: Die Suche nach Schuld
Erinnerungen an den Krieg: Ari Folmans Libanon-Dokumentation "Waltz with Bashir" gibt es jetzt auch als Graphic Novel. Der Comic erreicht aber nicht die visuelle Wucht des Films.
Comics als Quelle von Filmen sind mittlerweile etabliert und die Ergebnisse erfreulich oft gelungen und erfolgreich. Wie aber steht es mit Comics auf der Basis von Filmen? Ari Folmans „Waltz with Bashir“ zeigt, dass es geht und wo die Grenzen sind.
Der Film war ein Ereignis, ästhetisch wie politisch ein „must see“ (u.a. Golden Globe 2009, César 2009, Oscar-Nominierung). In Israel war er auch eine Provokation für das kollektive Gedächtnis bzw. Vergessen, weil er an die Rolle des israelischen Militärs im libanesischen Bürgerkrieg 1982 und insbesondere bei den Massakern der christlich-maronitischen Falangisten-Milizen in den palästinensischen Flüchtlingslagern in Beirut erinnert. Wer heute durch die Straßen dieser Stadt geht, spürt durchaus Offenheit und Optimismus. Aber die Spuren des Bürgerkriegs bleiben sichtbar – inmitten der Spuren jüngerer Konflikte.
Ein Alptraum löst die Suche aus
Autor und Regisseur Ari Folman erzählt von seiner filmischen Spurensuche in der eigenen verdrängten Vergangenheit, die über zwanzig Jahre später von den Albträumen eines Freundes ausgelöst wird. Zwar weiß er, dass er als 18-jähriger Soldat an dem Krieg
teilgenommen haben muss, aber er hat keinerlei emotionale Erinnerung daran, das Ereignis ist „aus seinem System“ verschwunden. Damit ist er nicht allein, wie er bei seiner Suche feststellt. Stellvertretend für die israelische Gesellschaft wagt der Erzähler Bezüge zu Holocaust und Warschauer Ghetto und stellt damit explizit die Schuldfrage.
Der auf Yoni Goodmans Storyboards für die animierte Dokumentation basierende Comic wurde von David Polonsky, dem künstlerischen Leiter und Chefillustrator des Films umgesetzt. Allerdings erreichen sie nicht die gleiche visuelle Kraft wie der Film. Die Albtraumsequenzen mit den durch die Straßen hetzenden Hunden wirken weniger bedrohlich, die schemenhaften Erinnerungen an das Meer und den Strand von Beirut weniger magisch, und dem „Tanz“ des schießenden israelischen Soldaten unter dem Bild des Maronitenführers Bashir Gemayel, dessen Ermordung die Massaker auslöst, fehlen Ton, Musik und vor allem die Dynamik der Schnitte und Bewegungen.
Am Ende gibt es keine Worte mehr
Doch der Comic spielt seine Stärken aus: Der Leser bestimmt das Tempo, kann die Bilder nach Gusto auf sich wirken lassen, auch zurückblättern, wenn die Komplexität es erfordert, vielleicht auch einmal länger schmunzeln über die unvermeidlichen Falafel-Bällchen, die den neu-holländischen Reichtum eines ehemaligen Kameraden des Erzählers begründen. Das intensive Leseerlebnis wird nur von einer teilweise nachlässigen Übersetzung etwas beeinträchtigt. Dabei sind weniger einige sprachliche Unstimmigkeiten ärgerlich als vielmehr das mehrfache Unterlaufen des schönen Effekts, dass der Leser durch Bilder schon begreift, was der Erzähler sich selbst und seinen Gesprächspartnern gegenüber noch nicht zugeben kann - seine Anwesenheit und Beteiligung.
Am Ende des Bands gibt es über mehrere Seiten keine Worte mehr. Sie sind auch nicht mehr nötig.
Ari Folman und David Polonsky: "Waltz with Bashir". Atrium Verlag, Zürich 2009. 128 Seiten, 22 Euro.
Unser Autor, der Politikwissenschaftler Thomas Greven, ist Gastprofessor am John F. Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität Berlin.
Hinweis: Unsere Verlosung ist beendet, die Gewinner wurden per Post benachrichtigt.
Thomas Greven
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