Berlin Art Week 2014: Wahre Werte
Meschac Gaba richtet in der Deutsche-Bank-Kunsthalle sein Museum Zeitgenössischer Afrikanischer Kunst ein. Der Ort könnte nicht passender sein, denn der aus Benin stammende Künstler arbeitet mit Geldscheinen, allerdings solchen, die ausrangiert wurden.
Eine halbe Million Euro ist am Stand der Deutsche-Bank-Kunsthalle für sage und schreibe 22,50 Euro zu haben. Der Museumsshop von Meschac Gaba bietet die Scheine geschreddert im Paket an. Darüber hängen T-Shirts mit dem Logo des „Museum of Contemporary African Art“. Wo immer das Museum für Zeitgenössische Afrikanische Kunst gastiert, wird ein neues T-Shirt entworfen. Zur Berlin Art Week zog der Shop als Marktstand auf die Straße. Danach rückt die Ware zurück in die Ausstellungshalle.
Wo ist Raum für zeitgenössische afrikanische Kunst, fragte sich Gaba, als er 1996 zum Studium an die Amsterdamer Rijks-Akademie kam. 1961 in Benin geboren, verwendete er in seinen frühen Collagen entwertete westafrikanische Francs. Wenn sie Geld sehen, schauen die Leute hin, lautete seine Strategie. Zu Konfetti gestanzt stellen die Banknoten aus den Ländern der ehemaligen französischen Kolonien den Wert der Waren und der Kunst infrage.
In Europa fand Gaba afrikanische Künstler nur in den Ethnologischen Museen. Also beschloss er sein eigenes Museum zu erschaffen, einen Ausstellungsraum ohne Wände, mehr Werkstatt, Wohnzimmer oder Marktplatz als White Cube. In Berlin wird das Museum für Zeitgenössische Afrikanische Kunst wohl zum Stachel im Fleisch des Humboldt-Forums werden. Zwischen 1997 und 2002 entstanden zwölf Räume, die sich inzwischen im Besitz der Londoner Tate befinden. In der DB-Kunsthalle ist ein Ausschnitt dieses wuchernden Werkes zu sehen als Auftakt eines dreiteiligen Austauschprojektes mit der Tate Modern. Gaba geht es um Wertesysteme, Hierarchien und den Versuch, ein Nebeneinander unterschiedlicher Denkansätze zu schaffen.
Im zentralen Raum zum Thema Kunst und Religion stehen Devotionalien auf den Regalen – vom hinduistischen Hausaltar bis zum Glücksschwein, vom islamischen Gebetsteppich bis zur katholischen Madonna. In Benin existieren christliche Religion, Voodoo und Animismus nebeneinander. Der kreuzförmig konstruierte Raum hebt die Sonderrolle monotheistischer Religionen auf. Alle Objekte verkörpern gleichermaßen den Wunsch der Menschen, ihr Schicksal mit den eigenen Gedanken zu lenken.
Das Herz der Ausstellung schlägt in der Bibliothek. Hier können die Besucher über Kopfhörer Gabas Biografie lauschen. Aus der Perspektive seines verstorbenen Vaters erzählt er von seiner Kindheit in Cotonou. Bei seiner Ankunft in Amsterdam wunderte er sich über die Fülle von Lebensmitteln und die Heerscharen von Fahrradfahrern. Den Fahrradparkplatz der Rijks-Akademie hielt er zunächst für eine Installation. Jetzt stehen draußen Unter den Linden goldene Fahrräder für Touren durch Berlin bereit.
„Wenn in Benin ein Mensch stirbt“, beginnt die Erzählung des Vaters „dann heißt es, eine Bibliothek geht unter, weil die Geschichten mündlich überliefert werden.“ In der Museumsbibliothek verwebt sich die Geschichte des Künstlers mit der schriftlichen Überlieferung der Kunstgeschichte. Denn bei jeder Station spenden Kulturinstitutionen der Library Bücher über zeitgenössische afrikanische Kunst.
Durchlässigkeit gehört zu Gabas Konzept. Geistige Väter sind Marcel Broodthaers und Dieter Roth – der eine, weil er das Leben und den Salon ins Museum aufnahm; der andere, weil sich sein Werk rhizomatisch fortpflanzte. Ist da ein Museum of Contemporary African Art überhaupt sinnvoll? Ist die afrikanische Kunst nicht längst globalisiert? Sucht man in Berlin den Katalog von Gabas Londoner Ausstellung 2013, dann befindet er sich nicht in der Kunstbibliothek. Er steht im Ethnologischen Museum. Simone Reber
DB-Kunsthalle Unter den Linden 13/15, bis 16. 11.; täglich 10–20 Uhr