Renaud Capuçon und die Junge Deutsche Philharmonie: Wahn und Wiedersehen
Renaud Capuçon spielt in der Philharmonie das eigenwillige Violinkonzert von Robert Schumann.
Schumanns Violinkonzert ist eines der großen Mysterien des Repertoires – es ins Programm zu nehmen schon eine dankenswerte Tat. Mit dem tief gesetzen, wenig virtuos scheinenden Solopart und den langsamen Tempi hat es wenig Chancen, neben der genialischen Brillanz und anrührenden Schönheit des Klavierkonzerts zu bestehen. Allzu groß die Versuchung, einen Zusammenhang herzustellen zwischen dem Zeitpunkt der Entstehung 1853 und Schumanns letztem Gang in die Endenicher Nervenklinik ein Jahr später. „Gewiß macht es sich ein Wiedergutmachungseifer zu leicht, der frühere Zweifel einfach beiseite schiebt“, schreibt selbst ein so wohlgesonnener Biograf wie Peter Gülke.
Renaud Capuçon hingegen ist von den Qualitäten des Stücks überzeugt: „Wenn man sich aus dem System von Schwierigkeit und Belohnung befreit, ist es eines der erstaunlichsten Violinkonzerte überhaupt“, sagt er – und tut in der Philharmonie das einzig Richtige: Er gibt sich der schwierigen Textur restlos hin, beglaubigt seinen Hang zu dieser deutsch-romantisch, grüblerischen Musik mit jedem Ton. Edel-mürbe, warm, tröstlich, bernsteinfarben ist der Klang, das Bewusstsein um den dünnen, brüchigen Boden, auf dem unsere Existenz ruht, schwingt mit – ein Bewusstsein, dass Schumann wie vielleicht keinem Zweiten seiner Generation vertraut war. Eindrücklich führt Capuçon die Mühe vor, die die Wahnsinnsfiguren im dritten Satz machen. Kaum vorstellbar, wie schrullig und tödlich langweilig das bei einem lustloseren, weniger engagierten Solisten klingen würde.
Erstaunlich, dass die Junge Deutsche Philharmonie mit Stefan Asbury am Pult ausgerechnet hier zahm wird. Zu Beginn des Abends nämlich, bei Schrekers klangmassivem „Vorspiel zu einem Drama“ , haben die Jungmusiker mit breitem Pinsel gemalt, sich in Lautstärke geflüchtet – und Schreker so zwar bewältigt, aber nicht im eigentlichen Sinne durchgearbeitet. Die ostinaten Bassfiguren, die hämmernden Triolen, mit denen Schumann sein Stück beginnen lässt, klingen bei ihnen hingegen emsig, ameisenhaft – und verlieren jeden bedrohlichen Charakter. Bei Schostakowitschs 4. Symphonie spielen sie dann wieder mit Hochdruck. Klar, das Stück – es konnte ähnlich wie Schumanns Violinkonzert erst Jahrzehnte nach der Entstehung uraufgeführt werden – erfordert das auch. Und viele Einzelstimmen ragen stupend scharfzüngig aus dem Tutti. Mehr Skepsis wäre trotzdem angebracht. Der von Schostakowitsch einkompononierte Zweifel, die Ironie bleiben in dieser fröhlich voranstürmendem Dampfwalze auf der Strecke.
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