zum Hauptinhalt

Kultur: Wadenreißer

Auch Männer können Ballerinas sein: In Berlin tanzen Les Ballets Trockadero de Monte Carlo

Im New Yorker Joyce Theatre wird schon vor der Show gekichert. Ein Ansager verkündet mit amerikanisch-russischem Akzent: Keine Bange, die Ballerinen hätten gute Laune und würden alle auftreten. Nur Natasha Notgoodenough werde heute Abend nicht tanzen! Willkommen im Raubtiergehege von Les Ballets Trockadero de Monte Carlo.

Es ist die wohl schrillste Ballettcompagnie der westlichen Hemisphäre. Bei den „Trocks“, wie sie der Einfachheit halber auch genannt werden, tanzen ausschließlich Männer – in Spitzenschuhen und Tutu. Die Drag-Ballerinas mit Brusthaar und strammen Waden schaffen mühelos den Spagat: Wenn sie ihre Pirouetten drehen, dann sind Ballettliebhaber und Ballettverächter gleichermaßen entzückt.

Der Auftritt in Manhattan ist ein Heimspiel. Denn die Truppe kommt nicht etwa von der Côte d‘Azur, die Trocks sind ein schillerndes Produkt der New Yorker Gay-Szene. Der Fantasiename ist eine spöttische Anspielung auf die legendären Ballets Russes de Monte Carlo. Wobei die russische Tanzkunst bei den Trocks ein unverschämt fröhliches Revival erlebt. Ein typischer Pas de Trock verbindet ballettöse Spitzenklöppelei mit rasantem Slapstick.

Robert Carter, der umjubelte Star von Les Ballets Trockadero de Monte Carlo, kommt aus der Bronx. Der schwarze Amerikaner mit dem blond gefärbten Haar tritt unter dem Künstlernamen Olga Supphozova auf. Die Odette aus „Schwanensee“ ist seine Glanzrolle: Sie lacht sich ins Fäustchen über den schmachtenden Prinz Siegfried und stiehlt ihm nach Kräften die Show. Dieser schwarze Schwan ist ein Biest.

Auch ein Deutscher gehört zu der extravaganten Compagnie. Bernd Burgmaier trainierte zunächst an der Stuttgarter John-Cranko-Schule und hatte danach erst mal die Nase voll vom schikanösen Ballett-Drill. Ein Stipendium brachte ihn nach New York, wo er die beinharte Abstraktionsschule von Merce Cunningham durchlief und bald auch in dessen Compagnie aufgenommen wurde. Im Jahr 2000 schloss der hochgewachsene Schwabe sich den Trockaderos an – er lernte das mörderische Tanzen à la Pointe und entdeckte beim lustvollen Spiel mit den Geschlechteridentitäten sein komisches Potenzial.

Die Männer sind nicht unbedingt die besseren Ballerinen, aber sie haben mehr Spaß. Angefangen hat alles 1974 in New Yorker Lofts. Dort unternahmen professionelle Tänzer den augenzwinkernden Versuch, sich berühmte Frauenrollen der Ballettgeschichte einzuverleiben. Der Ruhm der Dancing Queens blieb nicht auf die schwule Subkultur beschränkt. Die Trocks ertanzten sich schnell Kultstatus – und gelten heute als Vorreiter der Cross-Gender-Debatte.

Ihre Remakes berühmter Werke der Ballettgeschichte basieren auf den Originalchoreografien. Allerdings verbinden die Trocks auf unnachahmliche Weise Klassik und schillernde Camp-Ästhetik, Russenkitsch und amerikanische Comedy. Das Schöne an den Trocks ist: Ihre Parodien sind zugleich Ausdruck größter Verehrung für das Ballett. Das hat ihnen auch die Anerkennung der „seriösen“ Tanzkritik eingetragen: Für ihr herausragendes klassisches Repertoire wurde der Compagnie im Januar 2007 der National Dance Award des Critics’ Circle in London verliehen.

Nachdem sie lange einen Bogen um Berlin gemacht haben, kommen sie nun mit zwei Programmen in den Admiralspalast. Freuen darf man sich auf den berühmten II. Akt aus „Schwanensee“ und den Elfenreigen aus „Les Sylphides“. Der sterbende Schwan muss ordentlich Federn lassen. „Gaîté Parisienne“ wird zur haarsträubenden Sause: die Kokotten und Can-Can-Tänzerinnen mit den strammen Waden geraten außer Rand und Band. Und Robert Carter als Oberzicke treibt seine Allüren wieder auf die Spitze.

Carter hat in Berlin übrigens einen prominenten Bewunderer. Er erinnert sich, wie ihn bei einem Balletttraining in den USA einmal ein blonder Tänzer ansprach und seine superbe Technik lobte. Er hat keine Ahnung, wer der Typ war, freute sich aber über das Kompliment. Später raunten ihm seine Kollegen zu, es sei Vladimir Malakhov gewesen.

Programm I 17.–22. April, Programm II 24.–29. April im Admiralspalast (Friedrichstr. 101, Mitte), jeweils 19.30 Uhr.

Zur Startseite