Museum Charlottenburg-Wilmersdorf: Von der Stadt am Schloss zur City West
Die neue Dauerausstellung „Westen!“ in der Villa Oppenheim erzählt, wie Charlottenburg und Wilmersdorf aufstiegen.
Ein paar Ritter reiten heimwärts, einem Zug von blumenwerfenden Mädchen entgegen. Sie müssen eine Schlacht gewonnen haben, jedenfalls trägt ihr Anführer ein Siegesbanner, das seltsamerweise die Farben der deutschen Reichskriegsflagge von 1871 zeigt. Einst hingen die beiden Gemälde, die der Historienmaler Rudolf Henneberg 1872 schuf, in der Villa des Bankiers Robert Warschauer am Knie, dem heutigen Ernst-Reuter-Platz. Die Villa wurde im Krieg zerstört, die jüdische Familie Warschauer überlebte das „Dritte Reich“ nur mit Glück.
Jetzt sind die frisch restaurierten Bilder erstmals öffentlich zu sehen, in der neu gestalteten Eingangshalle der Villa Oppenheim, in der das Museum Charlottenburg-Wilmersdorf untergebracht ist.
Sie erinnern an eine versunkene Epoche, in der das Areal am Knie zwischen Charlottenburg und Tiergarten noch ein beliebtes Wohngebiet von Berliner Honoratioren war. Werner von Siemens baute hier eine Villa, Bismarcks Bankier Gerson Bleichröder und der Historiker Theodor Mommsen ebenfalls. Die Villa der aus Königsberg stammenden Bankiersfamilie Warschauer wurde von den damaligen Stararchitekten Martin Gropius und Heino Schmieden entworfen. Wie viele Juden hofften die Warschauers, sich durch Überanpassung vor antisemitischen Angriffen schützen zu können.
„Villa Sorgenfrei“ nannten die Bewohner das Haus, das Otto Georg Oppenheim 1881 errichten ließ
Mit den Gemälden demonstrierten sie deutschnationalen Patriotismus. Einige Figuren tragen Gesichtszüge von Verwandten. Ein Ritter ist dem Bankier Hugo Oppenheim nachempfunden, ein alter Mann auf Krücken dem Philosophen Moses Mendelssohn, einem Urahn der Familie. In die Villa Oppenheim passen die Bilder schon deshalb, weil Robert Warschauer mit einer Tochter der Oppenheims – die ebenfalls eine Bank führten – verheiratet war. „Villa Sorgenfrei“ nannten die Bewohner das Haus, das Otto Georg Oppenheim 1881 anstelle eines kleineren Vorgängerbaus errichten ließ. Die prachtvollen Räume sind ein Denkmal für die im Holocaust untergegangene Welt des jüdisch-deutschen Großbürgertums.
„Westen!“ heißt die neue Dauerausstellung, mit der das Museum Charlottenburg-Wilmersdorf ab dem 2. Dezember die Geschichte des Doppelbezirks erzählt. Kurator Benedikt Goebel beschränkt sich dabei auf 32 Exponate und erzielt damit den maximalen Effekt. Denn in jedem dieser Objekte steckt ein ganzes Thema.
So steht ein Familienporträt, das Eduard Gaertner um 1850 vom Tonwarenfabrikanten Ernst March malte, für die frühindustrielle Vergangenheit Charlottenburgs. Mit seiner Fabrik für Bauschmuck aus Terrakotta und Industriekeramik, den er bis in die USA lieferte, stieg March zum Marktführer auf. Das biedermeierliche Bild zeigt Vater und Mutter, umgeben von Kindern und Kindeskindern, im Garten ihrer Villa, die mit tönernen Figuren und Ornamenten überzogen ist. Es wirkt wie eine Werbeillustration für die Produkte der Fabrik.
Bis 1920 war Charlottenburg unabhängig und die reichste Stadt Preußens
Charlottenburg war als Residenzstadt für das Schloss gegründet worden, das der spätere preußische König Friedrich I. 1695 für seine Ehefrau Sophie Charlotte bauen ließ. Genau wie Wilmersdorf sollte es den Charakter einer Sommerfrische noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts behalten. Der „Millionenbauer“ Otto Schramm, der es mit dem Verkauf seines Ackerlandes an Bauunternehmen zu Reichtum gebracht hatte, betrieb ab 1879 an der Wilmersdorfer Wilhelmsaue ein Garten- und Tanzlokal mit eigenem Freibad. Eine um 1900 dort ausgeliehene, tomatenrote und übergroße Badehose liegt jetzt in einer Museumsvitrine.
Ein Stück weiter ist eine wuchtige Gehwegplatte aus Granit zu sehen, die früher auch „Charlottenburger“ oder „Schweinebauch“ genannt wurde. An ihr lässt sich der Wohlstand der bis 1920 unabhängigen Stadt Charlottenburg ablesen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts die reichste Stadt Preußens war. Zu verdanken hatte sie ihren Aufstieg Tüftlern wie Hermann Aron, der 1884 das erste Gerät erfand, das den Verbrauch von Strom messen konnte. Ein Nachfolger dieses Apparats steht neben einem Radio der Marke „Nora“ von 1929. Manfred Aron, Hermanns Sohn, bediente damit den damals boomenden Markt für Rundfunkgeräte. Aus Angst vor Antisemitismus benannte er die Firma um: sein Nachname rückwärts. Ab 1933 hieß sie noch neutraler „Heliowatt AG“, was aber nicht verhindern konnte, dass Manfred Aron sein Unternehmen zwangsweise an Siemens verkaufen musste.
Vom Drama des 2. Juni 1967 künden zwei Schah-Masken, mit denen Studenten gegen den Besuch des persischen Potentaten protestierten – und das SED-Parteibuch des Polizisten Karl-Heinz Kurras, der Benno Ohnesorg erschoss. Doch der Gang durch die Stadtgeschichte endet tröstlich, mit den Engelsflügeln, die Otto Sander in Wim Wenders’ Film „In weiter Ferne, so nah!“ trug.
„Westen“, ab 2. Dezember in der Villa Oppenheim, Schlossstraße 55, www.villa-oppenheim-berlin.de. Di.–Fr. 10–17, Sa./So. 11–17 Uhr, Eintritt frei.
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