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Wiener Philharmoniker, Kay Wuschek und Mahler Chamber Orchestra: Von altersweise bis energiegeladen

Kurz und kritisch, dieses Mal mit: Georges Prêtres und den Wiener Philharmonikern, Kay Wuscheks "Hamlet" im Theater an der Parkaue und Andris Nelsons und dem Mahler Chamber Orchestra.

KlassikAltersweise: Georges Prêtre und die Wiener Philharmoniker

„Ja, und wo bleibt das Küsschen?“, scheint Georges Prêtre zu fragen, als er die Blumen in der Philharmonie entgegennimmt. Und er hat ja auch recht – nach einem so sinnlichen Flirt zwischen Melodie und Rhythmus, wie ihn der 88-Jährige gerade in Ravels Boléro zelebriert hat, wäre ein Strauß ohne Bussi ein allzu kühler Dank gewesen.

Von den Wiener Philharmonikern, die gerade ihre 50-jährige künstlerische Partnerschaft mit Prêtre feiern, bekommt der Dirigent auch ganz ohne Gesten, was er will: Besonders eindrucksvoll ist dies in Beethovens 7. Symphonie zu erleben, die der Meister – in wohltuendem Kontrast zu den durchchoreografierten Dirigaten vieler Jungstars – über beträchtliche Strecken fast bewegungslos zelebriert. Es ist eine eigenwillige aber zwingende Lesart. Wohl ausgehend von der Beobachtung, dass der Beginn des Vivaces mit seinen deftigen Holzbläser- und Bordunklängen etwas Bukolisches hat, arbeitet Prêtre den Konflikt zwischen Pastoralem und Militärischem heraus, ohne beim Ersteren in harmlose Idylle und beim Letzteren in leeren Triumph zu verfallen.

Strawinskys Feuervogel bringt ihn in stärkere Bewegung: Traditionen wie französische Bildhaftigkeit und Wiener Klangfarbenreichtum tragen dazu bei, dass die Ballettsuite zu großem Kino wird: Während man das in tausend Farben schimmernde Gefieder des Vogels in hochauflösender Nahaufnahme zu sehen meint, fasst Prêtre das Geschehen gleichzeitig unter einen dramatischen Bogen von archaischer Kraft, wie man ihn aus expressionistischen Stummfilmen kennt. (Carsten Niemann)

Theater

Ziellos: Kay Wuscheks „Hamlet“ im Theater an der Parkaue

In Kay Wuscheks Inszenierung im Theater an der Parkaue ist Hamlet ein pubertierender Springinsfeld. Er gerät in eine Gartengemeinschaft, die es sich eigentlich vor dem hölzernen Bungalow mit begehbarem Dach (Bühne und Kostüme: Angelika Wedde) gemütlich machen will. Der schwer erziehbare Junge von nebenan aber bringt die auf der Parzelle Verwurzelten frech durcheinander. Bis nach einem Wett-Trinken mit vergiftetem Rotwein (fast) alle tot sind und die Party am Ende.

Der Regisseur will Shakespeares Meisterwerk jugendgemäß zurechtzimmern und seinem Publikum durch hemmungslose Alberei schmackhaft machen. Also geht eine Folge lose verknüpfter Abenteuer über die Bühne, mit Darstellern, die mal die, mal jene Rolle spielen, ohne auch nur einer Profil und Statur geben zu können.

Es scheint, als traue der Regisseur den Jugendlichen ab der 10. Klasse selbstständiges Denken nicht zu.

Hamlet-Darsteller Simon Jensen zeigt sich wohl als gelenkiger Tausendsassa, schmettert seine Monologe mit fröhlicher Geschwindheit in den Zuschauerraum – aber was will sein Hamlet eigentlich, was treibt ihn an? Der ziellose Protest gegen alle und alles, manchmal wenigstens auch selbstironisch dargeboten, kann es doch nicht sein. Kay Wuschek hat sich gründlich vertan mit dieser fahrigen, auch im Darstellerischen völlig unfertigen Inszenierung. (Christoph Funke)

Klassik

Energiegeladen: Andris Nelsons und das Mahler Chamber Orchestra

Er packt das Publikum von der ersten Minute an: mit einem Beethoven, den Andris Nelsons zum genuinen Romantiker erklärt. Ungemein packend, machtvoll- suggestiv gelingt dem 34-jährigen Letten der langsame Beginn der „Egmont“-Ouvertüre. Das Orchester wird zum atmenden Organismus, enorme Energiefelder entstehen und entladen sich bald in überlebensgroße Gefühle, ganz ohne plakativ zu werden. Auf Einladung von Konzerthaus-Intendant Sebastian Nordmann ist Nelsons mit dem Mahler Chamber Orchestra am Gendarmenmarkt zu Gast – eine Paarung, die wirklich passt: Schließlich gründeten ein paar mutige Musiker 1997 das frei finanzierte Ensemble, um gemeinsam Kunst jenseits aller institutionalisierten Routine zu machen.

Hakan Hardenberger vermag da an diesem Dienstag nicht ganz mitzuhalten: Haydns Trompetenkonzert gerät ihm – bei aller handwerklichen Souveränität – weniger glänzend, als man das von jüngeren Virtuosen gewohnt ist. Mehr Charakter kann er in HK Grubers „Busking“ von 2007 zeigen, erst mit lässigem Swing, später in zarter Zwiesprache mit dem Sehnsuchtston des Akkordeons.

Dann wieder Beethoven, jetzt die 7. Sinfonie: Hier beweist Andris Nelsons, dass er auch ein gewiefter Theaterpraktiker ist, deutet den Eröffnungssatz als lebenspralle Ballettmusik, wobei er höchstselbst zum primo ballerino wird. Atemberaubend der Trauermarsch, zunächst ganz nach Innen lauschend, sich dann schmerzhaft aufbäumend als spräche der späte Schubert, bevor neue Hoffnung aufkeimt. Allein dieser Satz lässt beim Hörer mehr Assoziationen, mehr Emotionen entstehen als sonst ein ganzer Abend. Danach ist nurmehr instrumentale Raserei möglich, prestissimo – bis der Saal in Jubel explodiert. (Frederik Hanssen)

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