Sandro Botticelli: Vom Schulabbrecher zum Malerpoeten
Sandro Botticelli nutzte sein Talent zum gesellschaftlichen Aufstieg. Gefördert von den Medici, passte er sich am Ende seines Lebens dem Zeitgeist an und wandte sich wieder religiösen Themen zu.
Wohin mit Michelangelos kapitaler David-Skulptur? Im Januar 1504 trat in Florenz eine Kommission zusammen, um über den Streitfall zu entscheiden. Mit dabei als Sachverständiger: Sandro Botticelli, 59 Jahre alt, Leiter einer seit Jahrzehnten erfolgreichen Malerwerkstatt, Besitzer eines Landhauses außerhalb der Stadt und eines ererbten Familienwohnsitzes unweit von Santa Maria Novella.
Die Expertenjury platzierte den soeben fertiggestellten Marmorkoloss Michelangelos da, wo bis heute seine originalgroße Kopie in Stellung hält: direkt auf der Piazza della Signoria, vor dem alten Regierungspalast, und nicht wie ursprünglich geplant an einem Strebepfeiler des Doms.
Solche konkret überlieferten Fakten aus Botticellis Leben sind rar. Aus wenigen Aktennotizen und späteren Schilderungen reimt man sich das Bild dieses ungewöhnlichen Malers zusammen.
Eine sprunghafte Persönlichkeit
Was der Künstlerbiograph Giorgio Vasari erzählt, vermittelt einen widersprüchlichen Eindruck: Er lobt Botticelli für sein gutes „disegno“, also Zeichenvermögen, seine lebendigen Porträts und anmutigen Frauendarstellungen, aber er attestiert ihm auch eine sprunghafte Persönlichkeit, überspannte Intellektualität sowie einen Hang zu Späßen auf Kosten anderer.
Allerdings: Vasari kannte Botticelli gar nicht persönlich. Der Maler starb ein Jahr, bevor der Kunstschriftsteller 1511 das Licht der Welt erblickte.
Sandro Botticelli wurde 1445 in Florenz als jüngster Sohn eines Gerbers geboren und hieß eigentlich Alessandro di Mariano di Vanni Filipepi. Sein Spitzname „Fässchen“ geht wohl auf einen beleibten Bruder zurück. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Botticelli nutzte sein Künstlertalent als Chance zum gesellschaftlichen Aufstieg.
Schüler des Malermönchs Fra Filippo Lippi
Als Kind allerdings fiel Sandro, so Vasari, durch mangelnden Fleiß in der Schule auf: „immer unruhig und mit keinem Unterricht je zufrieden, sei es im Lesen, Schreiben oder Rechnen“. Entnervt habe der Vater ihn zu einem Goldschmied in die Lehre gegeben. In Botticellis späteren Werken zeigt sich ein Faible für extravaganten Schmuck bei Damenbildnissen.
Die Feinheiten und Kunstgriffe des Pinsels erlernte er bei dem Florentiner Malermönch Fra Filippo Lippi. Von dessen lieblichen, ätherisch-zarten Madonnendarstellungen emanzipierte sich der junge Maler rasch. Mit klaren Konturen, kräftiger Licht-Schattenführung und vor allem einem unnachahmlich eleganten Linienspiel kultivierte er schon bald einen wiedererkennbaren eigenen Stil. Da die Nachfrage nach Marienbildern für Privatauftraggeber nie abriss, konnte sich der Newcomer so als kreativer Kopf unter seinen Konkurrenten profilieren.
1472 schrieb sich Botticelli in die Zunftlisten der Florentiner Lukasbruderschaft ein. Schon zuvor hatte er eine eigene Werkstatt im Haus seines Vaters eröffnet. Seinen ersten öffentlichen Auftrag 1470 erledigte er mit Bravour: Als Schaustück seines Talents thronte seine „Fortitudo“, die Personifikation der Stärke, im Sitzungssaal des Handelsgerichts. Farbkräftig und plastisch behauptet sich die schöne Frauengestalt im Kreis der anderen Tugenden von der Hand des etablierten Pollaiuolo.
Die Aufträge wichtiger Klienten reißen nicht ab
Auch im angesehenen Genre des großen Altargemäldes konnte der junge Botticelli schon bald reüssieren. Mit einem lebensgroßen Heiligen Sebastian trat er als hervorragender Aktmaler in Erscheinung.
Es folgt ein Freskenauftrag in Pisa. Von nun an reißen die Aufträge wichtiger Klienten nicht ab. Vor allem entdecken die Medici den neuen Star am Florentiner Malerhimmel für sich. Als die Bankiersfamilie 1475 zu einem glanzvollen Lanzenstechen auf der Piazza Santa Croce lädt, schmückt Botticelli die Turnierfahne des jungen Giuliano de Medici mit einer poetisch hintersinnigen Minerva-Darstellung. Auf einem Altarbild für Santa Maria Novella, das ein Geldmakler finanziert, lässt der Künstler in den Rollen der Heiligen Drei Könige die führenden Männer des Medici-Clans posieren, allen voran Cosimo il Vecchio.
Ebenfalls ganz im Sinne der Medici verewigt Botticelli 1478 die gehenkten Attentäter der Pazzi-Verschwörung in einem öffentlichen Schandgemälde. Das Porträt des bei dem Attentat ermordeten Giuliano de Medici verlässt seine Werkstatt gleich in mehreren, seriell produzierten Versionen. Auch andere Familien aus dem Umfeld der Medici schätzen seine eleganten Porträts.
Die berühmtesten Werke entstanden als private Aufträge
1481 ruft ihn der Papst nach Rom. Zusammen mit einem Team von Kollegen, darunter Perugino, Ghirlandaio und Signorelli, malt Botticelli die neue Sixtinische Kapelle mit vielfigurigen Bibelszenen aus, ein kompositorisch wie theologisch anspruchsvolles Unternehmen. Zurück in Florenz etabliert er sich als einer der führenden und bestbezahlten Maler der Stadt.
Botticellis heute berühmteste Werke entstanden als private Spezialaufträge für die Medici: Das zauberhafte „Primavera“-Gemälde mit seinen über Blumen tänzelnden Nymphen und Göttinnen schmückte ursprünglich, über einem Sofabett platziert, das Brautschlafzimmer im Stadthaus der jüngeren Medici-Linie.
Auch die längst zum Mythos gewordene „Geburt der Venus“ schuf Botticelli für die Medici: ein echtes Avantgardegemälde – der erste fast lebensgroß gemalte Frauenakt seit der Antike! Nur im privaten Rahmen war solch ein erotisch unverblümtes und zugleich mythologisch verzwicktes Bildprogramm denkbar. Mit seinem literarisch inspirierten Antikenbezug war es ohnehin nur einem elitären Kreis von Kennern verständlich.
Verblüffenderweise funktionieren Botticellis zauberhafte Bildpoesien auch ohne ihren komplexen inhaltlichen Überbau, obwohl sie weder anatomisch korrekt noch perspektivisch richtig konstruiert sind.
Endzeitstimmung und die Hinwendung zu religiösen Themen
1494 war es mit solch freizügigen Darstellungen allerdings vorbei. Mit der Vertreibung der Medici ging eine Ära zu Ende. In Florenz hatte der fanatische Bußprediger Savonarola mit apokalyptischen Prophezeiungen die Massen in den Bann geschlagen und für einen radikalen Stimmungsumschwung gesorgt. Angesichts des bevorstehenden Jahrhundertwechsels machte sich Endzeitstimmung breit. Luxus war verpönt. Gemälde, Bücher und Tand brannten auf dem Scheiterhaufen.
Auch Botticelli konzentrierte sich in seinen letzten Werke auf religiöse Themen. Er starb am 17. Mai 1510 und wurde auf dem kleinen Friedhof der Kirche Ognissanti beerdigt, mitten in dem Kiez, in dem er sein ganzes Leben verbracht hatte.
The Botticelli Renaissance - Rahmenprogramm zur Ausstellung
Gemäldegalerie am Kulturforum, Matthäikirchplatz, 10785 Berlin, bis 24. Januar 2016
TICKETS:
14 Euro, ermäßigt 7 Euro. Es empfiehlt sich, ein Zeitfenster zu buchen unter: http://www.botticelli-renaissance.de/tickets
KATALOG:
Hirmer Verlag, 45 Euro
VORTRÄGE:
8. Oktober 2015, 18 Uhr:
Thomas Mann: „Fiorenza“. Ein Gespräch mit der Herausgeberin Elisabeth Galvan (Università di Napoli L'Orientale) und Peter von Becker. Szenische Lesung mit Schauspielern des Deutschen Theaters. Anmeldung erbeten: antwort.iicberlino@esteri.it
29. Oktober 2015, 18 Uhr:
Botticelli und die Romantik: Wiederentdeckung und Verbreitung. Daniel Godfrey (Charles Booth-Clibborn Collection, London)
5. November 2015, 18 Uhr:
Botticelli und die Moderne. Stefan Weppelmann (Kurator der Ausstellung, Kunsthistorisches Museum Wien)
26. November 2015, 18 Uhr:
Emilio Pucci und Botticelli: Kunst, Inspiration und Mode von den Hochzeitstruhen bis zur Couture. Alessandra Arezzi Boza (Modehistorikerin, Florenz). Auf Italienisch mit Simultanübersetzung. In Zusammenarbeit mit der Kunstbibliothek der SMB. Anmeldung erbeten: antwort.iicberlino@esteri.it
3. Dezember 2015, 19 Uhr:
„Die Medici“ als azione storica – Leoncavallos ambitioniertes Opernprojekt.
Arne Langer (Theater Erfurt) über den Komponisten und seine Zeit. Mit Arien aus der Oper „Die Medici“, gesungen von Ilia Papandreou und Juri Batuko, begleitet von Ralph Neubert (Piano). Veranstaltungsort: Musikinstrumentenmuseum. Eingang: Ben-Gurion-Straße. In Zusammenarbeit mit dem Theater Erfurt. Anmeldung erforderlich: antwort.iicberlino@esteri.it
17. Dezember 2015, 18 Uhr:
Botticelli und Berlin. Ruben Rebmann (Kurator der Ausstellung, Gemäldegalerie der SMB). In Zusammenarbeit mit der Kunstbibliothek der SMB.
Elke Linda Buchholz
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